Sie sind mit jungen Menschen unterwegs – im wörtlichen wie im übertragenden Sinne – um Perspektiven des eigenen beruflichen Wegs zu erkunden. Gelingt das auf Reisen besser als in einem Beratungsgespräch?
Mathis Burfien: Die Reisen sind Teil einer Vielzahl von Angeboten. Dazu gehören auch im klassischen Sinn Informationstage zum Studium oder das individuelle Beratungsgespräch. Alle Angebote versuchen zusammen die Vielschichtigkeit aufzugreifen, mit der sich junge Menschen mal ganz eindeutig und selbstbewusst, mal vorsichtig und tastend, mit den Fragen der Berufsorientierung beschäftigen.
Ein Segeltörn stellt eher den Abenteuercharakter in den Vordergrund und den Teamgeist, mit dem auf einem Segelschiff gemeinsam angepackt werden muss. Die Pilgerreise auf dem Jakobsweg hat einen kontemplativeren Charakter. Man bleibt mehr bei sich, hat einfach mal Zeit: für sich, für Gott. Immer geht es dabei auch um Fragen der beruflichen Orientierung hinsichtlich eines möglichen Theologiestudiums.
Oftmals haben sich Jugendliche monatelang damit beschäftigt, was sie einmal machen wollen. Die Seminare geben den nötigen Raum für Klärung. Studierende begleiten diese Seminarangebote und können ganz authentisch von ihren Erfahrungen mit dem Theologiestudium berichten. Bei dem exotischen Wunsch "Theologiestudium" ist es toll, wenn man Gleichgesinnte treffen kann, um sich über seinen Glauben auszutauschen. Besonders schön ist es, wenn während der Seminare Freundschaften entstehen und man sich am zukünftigen Studienort wiedertrifft oder sogar zusammenzieht. Das ist nur möglich, wenn man dafür ein bisschen Zeit zur Verfügung hat, um sich gut kennenzulernen.
Sie waren erst kürzlich mit einer Gruppe auf einem Segelboot in Nordfriesland unterwegs, was gab es da für Erfahrungen im Verlauf der Woche?
Burfien: Mit dem Segelboot ging es raus aus dem Alltag. Eine ganz spannende Erfahrung für mich war es zu sehen, dass das, was wir an Deck sein mussten, nämlich ein funktionierendes Team, sich auch auf die gesamte Zeit und unser Zusammensein übertrug. Etwa was die Arbeiten in der Küche betraf oder die gemeinsame Frustbewältigung, als wir bei Sturmwarnung im Hafen festlagen und es draußen schüttete: Man stand für einander ein, als Wunden versorgt werden mussten oder wenn jemand nicht mehr konnte, waren andere hilfreiche Hände da. Bei der Feier des Abendmahls wussten wir, dass wir in unserer Gemeinschaft nicht alleine waren.
Lebensfragen angesichts von Horizont und Weite stellen sich noch einmal anders und existentieller. Mit dem Boot bei ablaufendem Wasser zu ankern, den vollen Mond in dunkler Nacht, angelehnt und sich stützend zusammen zu stehen und einen Segenswunsch zu hören – das kann ich nicht erleben, wenn ich nicht den Lärm der Straßen und den Lärm in mir einmal für eine Zeit zurücklasse.
Hat sich jemand aus der Runde für ein Theologiestudium entschieden? Oder ist sogar schon entschlossen, das Pfarramt anzustreben?
Burfien: Hinsichtlich der Frage nach einem Theologiestudium war alles dabei – von: "Ja, jetzt Theologie", bis zu "Ich werd’ Pastorin" oder auch jemand, der noch nicht entschieden ist. Ich würde niemanden zum Theologiestudium überreden wollen. Aber ich möchte gerne jungen Menschen, die an der Schwelle stehen, die überlegen, ob das Theologiestudium etwas für sie sein könnte, ein Wegbegleiter sein, informieren und fragen helfen: Was ist dein Weg?
Was vermitteln Sie jungen Leuten, die sich für ein Theologiestudium interessieren, darüber, was sie erwartet – im Studium und im Pfarramt?
Burfien: Ich erzähle davon, was ich selbst erlebt habe. Erzähle von meiner eigenen Begeisterung für das Studium und den Pfarrberuf – zum Beispiel davon, dass man mit dem Theologiestudium und in dem Beruf die Möglichkeit bekommt, sich ganz mit dem zu beschäftigen, woran das eigene Herz hängt. Und das ist sehr viel.
Kommen die Teilnehmer mit bestimmten Bedenken oder Vorurteilen in die Veranstaltungen, die Sie anbieten?
Burfien: Die Teilnehmer kommen nicht ohne Erfahrungen zu uns. In der Regel haben sie bereits erste Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen in der Gemeinde oder bei der Evangelischen Jugend gehabt. Bedenken gibt es, vor allem weil der Beruf in besonderer Weise mit dem persönlichen Leben verbunden ist. Fragen sind: Kann ich das? Bin ich fromm genug? Schaffe ich die Sprachen? Kann ich andere Menschen trösten? Bleibt Zeit auch für mich?
Können Sie diese Bedenken ausräumen? Und was für besondere Vorzüge des Berufs können Sie als Pastor aufzeigen?
Nein. Bedenken lassen sich nicht immer ausräumen. Manchmal hilft es nur, eigene Erfahrungen zu machen. Aber überall dort, wo junge Menschen nicht genug Mut haben, möchte ich gerne ein Zutrauen säen. Ich liebe den Pfarrberuf. Ich kenne keinen anderen Beruf, der umfassender mit dem Leben zu tun hat: über den Säuglingen den Segen sprechen, zu trösten und zu helfen, Tränen zu trocknen am Sterbebett. Den Blick Richtung Himmel öffnen, das ist eine wunderbare Aufgabe.
Sie laden sehr offen ein zu den Reisen, Workshops und Projekten: als "Wegweiser, über dich, deinen Glauben und deinen Lebensweg nachzudenken". Kommen die Teilnehmer mit ebenso offenen Fragen und Themen – oder haben die meisten schon ein vertieftes Interesse im Gepäck?
Burfien: Oftmals habe ich das Gefühl, dass die Fragen eher offen sind als konkret. Aber natürlich ist das Interesse da. Ich sehe Jugendliche, die, aus ihrem Glauben heraus, die Gesellschaft mutig und menschenfreudlich mitgestalten wollen. Junge Menschen, die mehr erfahren wollen und die sich nicht zufrieden geben mit dem, was oft auf der Oberfläche präsentiert wird. 18jährige, die sich begeistern lassen, die ihren Glauben feiern oder auch die Stille des Gebetes genießen können. Das alles versuchen wir mit unseren unterschiedlichen Seminarangeboten zu berücksichtigen.
Was möchten Sie denen mit auf den Weg geben, die sich für den Weg des Theologiestudiums und auch ins Pfarramt entscheiden?
Burfien: Ich wünsche ihnen, dass sie in ihrem Leben immer dankbar auf ihre Entscheidung zurückblicken können. Und ich freue mich darauf, wie sie mit ihren Ideen und ihrer eigenen Sprache die Kirche von morgen gestalten und bereichern werden.