Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) legte sich nach dem Urteil als erster fest. Er erklärte bei einer Kabinettsklausur am Tegernsee, er garantiere den bayerischen Beziehern die Weiterführung der Familienleistung: "Dieses Betreuungsgeld wird es weiterhin geben", sagte Seehofer. Eltern, die ihr Kleinkind nicht in einer staatlich geförderten Kita oder Tagespflege betreuen lassen, erhalten derzeit monatlich 150 Euro. Der Anspruch gilt für Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat. Die CSU hatte die Einführung des Betreuungsgeldes im August 2013 wesentlich vorangetrieben.
Seehofer forderte den Bund zugleich auf, die bislang für das Betreuungsgeld eingeplanten Gelder den Ländern zur Verfügung zu stellen. Die SPD lehnt diese Forderung allerdings ab. "Wenn Bayern am Betreuungsgeld festhalten will, was sein gutes Recht ist, muss es diese Leistung aus Landesmitteln finanzieren", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe). Dafür werde es keine Bundesmittel geben.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) begrüßte das Urteil. "Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg und hat keine Zukunft", erklärte die Ministerin in Berlin. Sie plädierte dafür, die freiwerdenden Mittel für eine verbesserte Kinderbetreuung auszugeben. Die SPD hatte das Betreuungsgeld in der großen Koalition mitgetragen, ist aber eigentlich dagegen.
Den Familien, die bereits Betreuungsgeld erhalten, sicherte die Ministerin zu, sie werde nach einer Lösung suchen, dass sie es bis zum Ende bekämen. Die Regierungsfraktionen wollten am 13. August über das Thema beraten, kündigte Schwesig an.
Die EKD teilte auf Anfrage mit, sie begrüße die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: "Kindertagesstätten in hoher Qualität und Anzahl sind eine wichtige Unterstützung für Familien in ganz verschiedenen Lebenslagen. Das Urteil wird Anlass bieten, über den Kitausbau und eine familienfreundliche Politik neu nachzudenken." Mit dem frei werdenden Geld solle die Bildungsgerechtigkeit über gute Kitas gefördert und Familien unterstützt werden.
Ähnlich äußerte sich die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf). Mit dem freiwerdenden Geld solle die altersgerechte, "qualitativ hochwertige und flexible Kinderbetreuung in den Ländern" unterstützt werden, sagte Christel Riemann-Hanewinckel, Präsidentin der eaf. Der Qualitätsstandard frühkindlicher Bildung in allen Kindertagesstätten solle verbessert werden.
Dagegen sieht die Evangelische Allianz (EA) in dem Urteil eine Einschränkung der Wahlfreiheit für Eltern. Der Wegfall des Betreuungsgeldes bevorzuge "einseitige Festlegungen in Richtung Fremdbetreuung", sagte EA-Generalsekretär Hartmut Steeb dem Magazin "pro". Die Bundesländer sollten sich nun dafür einsetzen, dass Familien nicht benachteiligt werden, wenn sie "die Erziehung vollumfänglich selbst wahrnehmen".
Die Reaktionen in den Bundesländern
In den Bundesländern sind die Reaktionen geteilt, abhängig von der regierenden Koalition. Außer Bayern hat sich noch keine Landesregierung eindeutig für das Betreuungsgeld ausgesprochen.
Das Betreuungsgeld Leistung habe eher "Mitnahmeeffekte" ausgelöst, die den Zielen guter Bildung und Betreuung nicht dienten, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart. Das Land will stattdessen mehr Geld in Kinderbetreuungs- und Förder-Angebote stecken.
Mehrere SPD-geführte Länder zeigten sich ebenfalls erleichtert über das Urteil und hoffen auf zusätzliches Geld für die Kinderbetreuung. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte, es sei "sinnvoller, in gute Kitas zu investieren, statt einen Anreiz zu setzen, Kinder zu Hause zu behalten". Ähnlich äußerte sich Brandenburgs Familienministerin Diana Golze (Linke). Auch die Berliner Familiensenatorin Sandra Scheeres und der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (beide SPD) forderten, der Bund müsse das frei werdende Geld in die Qualitätsverbesserung der Kitas investieren. NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) warb ebenfalls für einen Ausbau der Kinderbetreuung: "Damit schaffen wir die Grundlage für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit und fördern zugleich die von den Eltern gewünschte bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf."
Aus der CDU/SPD-Koalition in Saarbrücken waren gegensätzliche Stimmen zu vernehmen. Während Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) den Wegfall "einer wichtigen Komponente der familienpolitischen Leistungen" bedauerte, forderte der saarländische Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD): "Jeder Euro und jeder Cent, der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfügbar wird, muss in den Ausbau und in die Qualität der frühkindlichen Bildung fließen."
Auch im schwarz-grün regierten Hessen ist man uneins: CDU-Sozialminister Stefan Grüttner bedauerte das Urteil und forderte den Bund auf, das Geld weiterhin an die Länder durchzureichen. Die Grünen dagegen begrüßten die Entscheidung und forderten, das frei werdende Geld in die Kinderbetreuung fließen zu lassen. Im schwarz-rot regierten Sachsen sprach sich Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) dafür aus, das Betreuungsgeld beizubehalten. Der Koalitionspartner SPD äußerte sich zunächst nicht.
Wie begründet das Verfassungsgericht sein Urteil?
Das Bundesverfassungsgericht kippte das Betreuungsgeld nach einer Klage des Hamburger Senats wegen fehlender gesetzgeberischer Zuständigkeit des Bundes. Das Betreuungsgeld falle in den Bereich der "öffentlichen Fürsorge". Der Bund sei hier nur dann zuständig, wenn die "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht", sagte der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof.
Doch das Betreuungsgeld diene gar nicht der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Ob Eltern über einen Kita-Platz verfügen oder nicht, spiele beim Erhalt des Betreuungsgeldes keine Rolle. Die Leistung gleiche einen fehlenden Betreuungsplatz nicht aus.
Allein der politische Wille, das Betreuungsgeld bundesweit einzuführen und damit die Erziehungsleistung von Eltern anzuerkennen, die ihr Kind zu Hause betreuen, "kann niemals eine Erforderlichkeit zur bundesgesetzlichen Regelung begründen", sagte Kirchhof bei der Urteilsverkündung.