"In der Musik ist Gottes Gnade gegenwärtig." Diesen Leitspruch schrieb sich Johann Sebastian Bach an den Rand seiner Bibel. Als Organist, Kapellmeister und Kantor hat er die geografischen Grenzen seiner mitteldeutschen Heimat kaum verlassen. Seine Kunst aber ist grenzenlos. Musik ist für Bach ein Abbild göttlicher Ordnung – eine Vorstellung, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt und auch für das Mittelalter maßgeblich war. Bach huldigt ihr, indem er seinen Werken Zahlenproportionen zugrunde legt, die er aus der Bibel ableitet. Diesen Rahmen füllt er dann mit Ausdruck, bis zum Rand. Er lotet die Grenzen des musikalischen Gefüges aus – in Gottes geordnete Schöpfung klingen alle Stimmen des Diesseits, Jubel und Klage der unerlösten Kreatur, oft simultan in den vielen Schichten einer komplexen Partitur. Bach ist von Martin Luther geprägt und verkündigt durch Musik dessen Kreuzestheologie. Zeitlebens gerät er aber auch immer wieder in Konflikt mit der meist lutherisch-orthodox geprägten Obrigkeit. Als geistig umfassend gebildeter Musiker öffnet er sich auch anderen Strömungen, etwa der Aufklärung. Bachs Musik ist Klangrede, sie predigt – mit Worten, aber eben auch ganz ohne. Für viele Menschen weltweit ist Bach der Musiker schlechthin.
Als "fünfter Evangelist" macht Johann Sebastian Bach die Musik zum Medium, in dem selbst abstrakte Glaubensinhalte sinnlich erfahrbar werden können.
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