Der Koran in neuen deutschen Übersetzungen
Der Islam ist in Deutschland in aller Munde - doch den Koran, das heilige Buch der Muslime, kennen die wenigsten. Etliche Verlage legen nun neue deutsche Übersetzungen vor.
08.10.2009
Von Anne Françoise Weber

Wohl kaum eine heilige Schrift wird von Andersgläubigen so intensiv diskutiert und so wenig gelesen wie der Koran. Das liegt nicht zuletzt an der schweren Verständlichkeit des Textes. Anders als christliche Leser es von großen Teilen der Bibel gewöhnt sein mögen, zerfällt er nicht auf den ersten Blick in verschiedene Textformen, Sinnabschnitte und in sich abgeschlossene Geschichten.

Als göttliche Offenbarung gilt der Koran strenggenommen nur im arabischen Original. Doch auch Menschen, die kein Arabisch können, wollen sich mit dieser Schrift beschäftigen. In Deutschland legen gleich mehrere Verlage neue Koranübersetzungen vor - zwei sind bereits erschienen, zwei weitere sind für kommendes Jahr angekündigt.

Sprachliche Schönheit übertragen

Für einen muslimischen Übersetzer hat sich der Herder-Verlag entschieden. Der in Kabul geborene Islamwissenschaftler Ahmad Milad Karimi versucht, die sprachliche Schönheit des Arabischen so weit wie möglich im Deutschen widerzuspiegeln. Die vorhandenen Übersetzungen ins Deutsche hält er zwar für philologisch hervorragend. "Sie können aber nicht vermitteln, warum wir Muslime so entzückt und gerührt sind, wenn wir den Koran hören."

Karimis Übersetzung ist daher um Sprachmelodie und literarische Figuren bemüht, wie beispielsweise die letzten Verse der Eröffnungssure zeigen: "Leite uns recht auf dem Weg, dem geraden, dem Weg derer, die von Deiner Gnade getragen, und nicht dem Weg derer, über die Dein Zorn waltet, und derer, die in die Irre gehen." Schwerfälliger liest sich da, was der Islamwissenschaftler Rudi Paret schon Anfang der 1960er Jahre übersetzt hatte: "Führe uns den geraden Weg, den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer, die d(ein)em Zorn verfallen sind und irregehen!"

Paret als Maßstab

Die Übersetzung von Paret gilt bis heute unter Wissenschaftlern als Maßstab. Doch sie ist nach dem Urteil von Josef Jeschke, Lektor im Verlag der Weltreligionen, als Fließtext "relativ unlesbar". Sein Verlag hat eine Neuübersetzung durch die Arabistin Angelika Neuwirth angekündigt, die ein Forschungsprojekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zum Koran leitet.

Sie wird nach Jeschkes Angaben im Frühjahr unter dem Titel "Der Koran als Text der Spätantike" zunächst den "programmatischen Band" zu ihrer Koranübersetzung vorlegen. Anliegen sei es, Hinweise und Querverbindungen zu jüdischer und christlicher Literatur herzustellen und zu zeigen, dass der Koran auch Teil eines europäischen Erbes ist.

Auch das Verlagshaus C. H.Beck betont den hohen wissenschaftlichen Anspruch seiner geplanten Koran-Neuübersetzung des Islamwissenschaftlers Hartmut Bobzin. Das Werk soll ebenfalls im kommenden Frühjahr erscheinen und laut Verlagsmitteilung einen "philosophisch zuverlässigen und zugleich ansprechenden Text" bieten. Islamische Deutungstraditionen würden ebenso berücksichtigt wie die Ergebnisse westlicher Koranforschung.

Arbeitstext und heiliges Buch

Hier ist zudem eine limitierte Vorzugsausgabe mit Ledereinband und Goldschnitt vorgesehen - ein Hinweis darauf, dass auch deutsche Verlage den Koran mittlerweile nicht nur als Arbeitstext für Wissenschaftler, sondern als heiliges Buch wahrnehmen. Auch bei Herder soll die ästhetische Dimension durch die Aufmachung des Buchs vermittelt werden: Der Einband ist in dunkelrotem Kunstleder mit goldener Schrift gehalten, jede Seite ist von einem Ornament umrahmt.

Der Patmos-Verlag schließlich legt keine Neuübersetzung aus dem Arabischen vor, sondern ein Werk mit ganz eigener Entstehungsgeschichte. Der als Leopold Weiss in eine jüdischen Familie geborene Muhammad Asad (1900-1992) übersetzte den Koran 1980 ins Englische. Nun wurde diese Übersetzung samt Kommentar ins Deutsche übertragen. Laut Verlagsmitteilung liegt die Einzigartigkeit darin, dass Asad das klassische Arabisch ebenso beherrschte wie die Dialekte der Beduinenstämme. Neben dem arabischen Urtext bietet das Buch zahlreiche Anmerkungen sowie ein Register.

Dem deutschsprachigen Leser bleibt nur die Entscheidung, mit welchem dieser Bücher er sich dem Korantext nähern will. Der katholische Theologe und Religionswissenschaftler Bernhard Uhde warnt jedenfalls in der Einführung des Herder-Bands vor dem Missverständnis, man könne den Text des Koran unmittelbar verstehen. Als "wörtliche Rede Gottes" über seinen eigenen Willen und sein eigenes Wesen blieben viele Verse des Koran "menschlichem eindeutigem Verstehen verschlossen".

 

 

epd

 

Bernhard Uhde (Hg.): Der Koran. Vollständig und neu übersetzt von Ahmad Milad Karimi, Herder, September 2009, 49,95 Euro.

Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar, Patmos, September 2009, 44 Euro.

Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin, C.H. Beck, erscheint im Februar 2010, ca. 34,00 Euro.

Angelika Neuwirth: Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang. Verlag der Weltreligionen, erscheint im Frühjahr 2010.