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Holzstich "Hus auf dem Konzil zu Konstanz" nach einem Gemälde von Karl Friedrich Lessing (1808-1880).
Vier Päpste und zwei Scheiterhaufen
Ein Konzil machte Konstanz vor 600 Jahren zur Kulturhauptstadt Europas
Das Konstanzer Konzil vor 600 Jahren war das Jahrtausendereignis für die Stadt am Bodensee. Zeitweise hatte Konstanz mehr Gäste als Einwohner. Doch am Rande der glanzvollen Versammlung wurden auch zwei Kirchenreformer verbrannt: Jan Hus und Hieronymus von Prag.
23.11.2013
epd/evangelisch.de
Marcus Mockler und Bernd Buchner

Europa ist in keinem guten Zustand zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Gleich drei Päpste zanken um die Vorherrschaft in der Kirche, obwohl es doch nur ein legitimes Kirchenoberhaupt geben kann. Martin V. wird am Ende der lachende Vierte sein, das große abendländische Schisma ist beendet. Zugleich begehren in mehreren europäischen Region Reformbewegungen gegen untragbare Zustände in der Kirche auf. Ihre Anführer werden von der geistlichen Obrigkeit schnell als "Ketzer" gebrandmarkt. Reformbedarf wird durchaus anerkannt, aber eben nicht umgesetzt.

###mehr-artikel###Zeit also, einen europaweiten Kongress zur Lösung der Probleme einzuberufen. Der römisch-deutsche König Sigismund (1368-1437) und die Parteigänger des damaligen Papstes Johannes XXIII. beschließen, ab 1414 ein Konzil in Konstanz zu veranstalten. Was für ein Auftrieb! Bis zu 20.000 Gäste besetzen das beschauliche 6.000-Einwohner-Städtchen am Bodensee. Aus allen europäischen Regionen kommen geistliche und weltliche Herren, um über die Zukunft zu beratschlagen. Selbst "Mohren" sollen gesehen worden sein, notiert Ulrich Richental, dessen reich illustrierte Konzilschronik zu den wichtigsten Quellen des Großereignisses zählt.

"Gemeine Damen" und kultureller Glanz

Das Konzil ist keineswegs eine asketische Veranstaltung. Der durchschnittliche Teilnehmer soll sich acht Liter Wein täglich genehmigen, der allerdings deutlich weniger Alkohol enthält als in späteren Jahrhunderten. Für die Gäste der Stadt sind auch bis zu 700 "gemeine Damen", also Prostituierte, im Einsatz. Der einäugige Dichter und Sänger Oswald von Wolkenstein (um 1377-1445), einer der berühmtesten Konzilsteilnehmer, gibt dem Treffen kulturellen Glanz.

###mehr-info###Das Chaos in der Kirchenführung können die Teilnehmer während des dreieinhalbjährigen Treffens beseitigen. Johannes XXIII. wird nach einer geheimnisvollen Flucht aus der Stadt als Papst abgesetzt und taucht in den kirchlichen Annalen als nicht zu zählender "Gegenpapst" auf, weshalb sich 1958 erneut ein Papst den Namen Johannes XXIII. geben kann. Gregor XII., der als legitimer Papst gilt, tritt freiwillig zurück. Nur Benedikt XIII., der in Avignon residiert, klebt an seinem Amt und kann erst nach schwierigen Verhandlungen abgesetzt werden. Der Weg zu Neuwahlen ist frei.

Das Konklave findet im November 1417 im großen Kaufhaus von Konstanz statt. Das wenige Jahrzehnte zuvor errichtete Gebäude am Bodenseeufer steht heute noch, heißt "Konzil" und dient als Veranstaltungsort unter anderem für Konzerte und Hochzeitsfeiern. Damals einigen sich die 53 Papstwähler nach nur drei Tagen auf Oddo di Colonna. Er wird Papst Martin V. - der Tag seiner Wahl war der 11. November, der Martinstag. Das Problem: Der neue Papst besitzt noch keine kirchlichen Weihen. Im Schnelldurchgang wird er erst zum Diakon, dann zum Priester, dann zum Bischof geweiht.

Das spätmittelalterliche Konstanzer Kaufhaus direkt am Bodenseeufer, in dem 1417 der neue Papst gewählt wurde, heißt noch heute "Konzil".

Doch über das Konzil hatte sich bereits der Schatten von Gewalt und Rechtsbruch gelegt. Um die geistliche Unruhe in der Kirche in den Griff zu bekommen, lädt man den Prager Kirchenerneuerer Johannes Hus, geboren um 1370, nach Konstanz. Der Stammvater der tschechischen Hussiten hat ein Jahrhundert vor Martin Luther (1483-1546) ein Programm, das in eine ähnliche Richtung weist: Rückbesinnung auf die Bibel als alleiniger Richtschnur des Glaubens und der Lebensgestaltung, radikale Ethik, Ablehnung einer überbordenden Heiligenverehrung.

Als Hus sich auf den König verließ

Natürlich weiß der Mann aus Prag, dass sein Erscheinen nicht ungefährlich ist. Doch er verlässt sich auf einen Brief von König Sigismund, der ihm freies Geleit zusichert ("salvus conductus"). Vor Ort nutzt ihm das nichts mehr. Hus wird verhaftet, erlebt einen sieben Monate lang dauernden Ketzerprozess und wird schließlich am 6. Juli 1415 vor den Toren der Stadt verbrannt. Das selbe Schicksal erleidet im Folgejahr Hieronymus von Prag. 20 Jahre Hussitenkriege sind die Folge, weil sich die Böhmen das nicht gefallen lassen.

###mehr-links###Doch es geht nicht ausschließlich um Kirche und Politik in diesen Konzilsjahren. Konstanz wird vorübergehend zur Hauptstadt Deutschlands und zur Kulturhauptstadt Europas. Das Umland bietet eindrucksvolle Klosterbibliotheken, etwa in St. Gallen und auf der Reichenau. Dantes "Göttliche Komödie" wird in diesen Jahren auf Latein übersetzt und beginnt ihren Siegeszug durch Mitteleuropa. Der Bodensee wird zur kulturellen Drehscheibe.

600 Jahre später will Konstanz das größte Ereignis seiner Geschichte feiern. Den Glanz jener Epoche hat die Stadt am Bodensee ebenso verloren wie 1821 den Bischofssitz. Umso wichtiger ist das Gedenken, das so lange dauern soll wie das Konzil selbst, also fast vier Jahre. Den Auftakt bildet am 27. April kommenden Jahres eine große Landesausstellung des Badischen Landesmuseums unter dem Titel "Weltereignis des Mittelalters".