"Nach so einem entsetzlichen Anschlag mit mehreren Toten und vielen Verletzten mitten in der Weihnachtszeit sollte sich die Sorge zuerst auf die Opfer und ihre Familien richten. Natürlich auch auf die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft", sagt die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, dem "Tagesspiegel".
Dann müssten die Tat und ihre Hintergründe genau aufgeklärt werden, sagt die Hamburger Bischöfin: "Ich sehe nicht, wie man jetzt - noch bevor dies erfolgt ist - unmittelbar Schlüsse für flüchtlingspolitische Programme ableiten kann." Das würde jeder dringend gebotenen Besonnenheit widersprechen, gerade in Wahlkampfzeiten.
Der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Christian Stäblein, warnt vor einem Generalverdacht gegenüber Geflüchteten. "Für Gewalttäter und Extremisten, wie auch immer sie motiviert sind, ist kein Platz bei uns", sagt Stäblein dem Berliner "Tagesspiegel": "Sie fallen ganz gewiss nicht unter den Schutz, den sie missbrauchen."
"Die aber", so Stäblein weiter, "die unsere Hilfe brauchen, dürfen auf diese Weise nicht in Misskredit geraten." Da brauche es einen klaren Blick und entschiedenes, verantwortungsvolles Handeln, sagt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er werbe dafür, die Dinge zu unterscheiden: "Extremismus und Radikalisierung, die für Terror und Gewalt stehen, müssen wir mit allen Mitteln bekämpfen.
Stäblein: Kirchenasyl nicht infrage stellen
Eintreten für Geflüchtete ist aber unbedingt geboten, die Sorge für sie und das menschliche Gesicht unserer Gesellschaft ist ein wichtiger Weg gegen den Terror", sagt Stäblein. Weiter warnt er davor, die Möglichkeit des Kirchenasyls infrage zustellen: "Das gute Agreement, dass es zwischen Staat und Kirche an dieser Stelle gab, scheint immer wieder gefährdet." Dabei entspreche das Kirchenasyl dem tiefen Empfinden vieler Menschen, "dass es einen Raum geben muss, wo Menschen elementaren Schutz erfahren können".
Kirchenasyle seien fraglos nötig, um Härtefälle überprüfen zu können. Zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften habe es "besondere, heilige Räume" gegeben, "die einen besonderen Schutz und eine besondere Perspektive auf das Leben gewähren", sagt Stäblein gegenüber dem "Tagesspiegel".
Nach der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt von Freitagabend mit fünf Toten und zahlreichen Verletzten haben am Montagabend in der Stadt mehrere Tausend Menschen mit Kerzen an einer Menschenkette in Erinnerung an die Opfer und für gesellschaftlichen Zusammenhalt teilgenommen. Zeitgleich fand eine Veranstaltung der AfD auf dem Domplatz mit anschließendem Demonstrationszug statt.
Die Polizei wollte vor Abschluss der Veranstaltungen keine Angaben über Teilnehmerzahlen machen. Eine Polizeisprecherin sprach jedoch von insgesamt einer vierstelligen Teilnehmerzahl für beide Veranstaltungen zusammen. Am Freitagabend war ein 50-jähriger Mann mit einem Auto ungebremst durch eine Budengasse auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft. Der Mann stammt aus Saudi-Arabien, lebt seit 2006 in Deutschland und arbeitete zuletzt als Arzt in Bernburg bei Magdeburg.