Fernseher vor gelbem Hintergrund
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9. November, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Die Toten am Meer: Tod an der Klippe"
In der Geschichte von der kleinen Meerjungfrau verliebt sich die Tochter des Meerkönigs in einen Prinzen, den sie vor dem Ertrinken bewahrt. Zu ihrem großen Kummer hält der junge Mann jedoch eine andere für seine Retterin.

Wie die meisten Erzählungen von Hans Christian Andersen und anders als die beiden Disney-Verfilmungen "Arielle, die Meerjungfrau" (1989/2023) endet das Märchen daher nicht mit dem Satz "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute". Für die Opfer des dritten Films der Husumer Krimireihe "Die Toten am Meer" gilt das nicht minder: Innerhalb weniger Wochen sind zwei Männer offenbar vom selben Kliff in die Tiefe gestoßen worden; und die mutmaßliche Mörderin ist ausgerechnet Arielle.

Schon allein die Idee, Andersens Vorlage auf diese Weise zu adaptieren, ist ziemlich kühn. Annika Tepelmanns Drehbuch trug den Arbeitstitel "Der Ruf der Meerjungfrau", der viel besser passt als "Tod an der Klippe". Gleich zweimal erklingt das Lied "Song to the Siren", und tatsächlich hat es den Anschein, als seien die beiden Männer durch einen Sirenengesang in den Tod gelockt worden.

Selbst auf die von Marlene Tanczik betont schnörkellos verkörperte Kripo-Kommissarin Ria Larsen übt die Frau, die sich hinter dem Dating-App-Namen Arielle verbirgt, eine fast unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Bedrückende akustische Erinnerungsfetzen an traumatische Kindheitserlebnisse liefern zudem eine schlüssige Erklärung, warum Meeresbiologin Marina Johansson (Sina Martens) die Taten begangen haben könnte. Im Gegensatz zu den Kollegen hält Ria sie jedoch für unschuldig. Als einzige Frau hat sie es ohnehin nicht leicht, aber diesmal bleibt ihr quasi nichts anderes übrig, als allein zu ermitteln, denn für ihren Chef (Max Herbrechter) haben die beiden Todesfälle nichts miteinander zu tun. Erschwerend kommt hinzu, dass er ihr ausgerechnet den unsympathischen Sellien (Christoph Glaubacker) zur Seite stellt.

Der Auftakt der Reihe (2020, damals noch mit Karoline Schuch) über einen Serienmörder, der einen Serienmörder kopiert, hat das Thrillerpotenzial der Handlung nicht ausgeschöpft, und im zweiten Film ("Der Wikinger", 2022) war das seelische Befinden der Kommissarin wichtiger als die Mördersuche. Der dritte ist mit Abstand der bislang beste, und das nicht nur wegen der fesselnden Handlung. Regie führte Andreas Senn, dessen Krimis in der Regel stets mehr als sehenswert sind. Zu seiner Filmografie zählt unter anderem die ZDF-Reihe "Der Kommissar und …" mit Roeland Wiesnekker; zuletzt hat er für RTL die beiden ausgezeichneten "Sonderlage"-Thriller gedreht. Kongeniale Partnerin ist diesmal Leah Striker: Ihre Bildgestaltung verleiht dem Film im Zusammenspiel mit der Musik (Florian Tessloff) eine düstere, bedrohliche Atmosphäre. Die winterlichen Aufnahmen von Strand, Meer und Himmel entsprechen perfekt der Melancholie eines Gedichts von Theodor Fontane ("Ausgang"), das die pensionierte Polizeipsychologin Elisabeth Haller (Charlotte Schwab) der jungen Kommissarin bei einem Besuch vorliest: "Immer enger, leise, leise, ziehen sich die Lebenskreise". 

Schon der Prolog, als Elisabeth beim windumtosten Strandspaziergang kurz vor Morgengrauen sieht, wie ein Mensch von der Steilküste stürzt, ist ein fotografisches Kunstwerk. Weil sie Alkoholikerin ist, hält der Kripochef ihren Bericht für ein Hirngespinst. Kurz drauf wird zwar tatsächlich eine Leiche aus dem Wasser gefischt, doch dieser Mann ist schon seit Wochen tot. Das Meer lässt sich naturgemäß nicht inszenieren, doch die Wellen wirken sehr bedrohlich und gerade aus der Vogelperspektive regelrecht aggressiv. Für Marina hingegen ist die See Beruf und Berufung, und das nicht nur wegen ihres Namens: Das Meer ist außerdem ihr Verbündeter, wie eine Rückblende gegen Ende offenbart. Sie und Ria begegnen sich, einander zunächst noch unbekannt, allmorgendlich im Hallenbad, und sehen sich unverhofft im Institut für Meeresbiologie wieder: Ria hofft, dass sich mit Hilfe einer Software zur Strömungsberechnung rausfinden lässt, wo die Leiche ins Wasser gestürzt sein könnte. Bei der Gelegenheit fragt sie auch, wohin es jene Person getrieben haben könnte, die Elisabeth von der Klippe stürzen sah; tatsächlich wird sie auf einer entsprechenden Sandbank entdeckt. Als sich rausstellt, dass Marina als "Arielle" mit beiden Männern Kontakt hatte, gibt es für Ria keinen Zweifel, dass die Fälle zusammengehören, und selbstredend ist die Biologin nun hochgradig verdächtig; zumindest aus Sicht der Kollegen, die die Meerjungfrau für eine männermordende Psychopathin halten.