Schlosskirche in Wittenberg
epd-bild / Steffen Schellhorn
Martin Luther soll seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 eigenhändig an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben.
Predigten zum Reformationstag
Von Krisenherden zum Mut für Veränderung
In ihren Predigten zum Reformationstag haben sich evangelische Theologen Gedanken zum Zustand von Kirche und Gesellschaft gemacht: Der thematische Bogen reichte von weltweiten Krisenherden bis zum nötigen Mut für anstehende Veränderungen der Kirche. evangelisch.de hat eine Auswahl der Predigten für Sie zusammengefasst.

Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat zum Reformationstag dazu aufgerufen, sich auf den Kern des evangelischen Glaubens zu besinnen. Die Vorstellung von religiöser Rechtgläubigkeit, moralischer Überlegenheit oder einer familiären Harmoniekultur hätten dazu beigetragen, dass sexualisierte Gewalt in der Kirche lange nicht richtig wahrgenommen und aufgearbeitet worden seien, sagte der leitende Theologe am Donnerstagabend in einem Reformationsgottesdienst in Düsseldorf. "Der protestantischen Plusterigkeit ist längst die Luft rausgelassen."

"Wir sind keine 'bessere Kirche', keine 'Gemeinschaft der Reinen' und waren dies auch nie", betonte Latzel. "Das ist theologischer Humbug." Die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche habe gezeigt, dass Menschen im Raum der Kirche Gewalt angetan wurde, sagte er laut Redetext in der Düsseldorfer Johanneskirche: "Ihnen wurde zudem nicht geglaubt, wenn sie es anderen erzählten. Ihr Leid wurde oft jahrelang nicht wahrgenommen, anerkannt, geschweige denn aufgearbeitet." Vielerorts habe man nicht wahrhaben wollen, dass etwa der Jugendleiter, Organist oder Pfarrer anderen Gewalt antue.

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, äußerte sich zuversichtlich, dass die Erinnerung an den Thesenanschlag Martin Luthers im Jahr 1517 auch in Zukunft nicht verschwinde. Die evangelische Kirche mache es richtig, wenn sie an der Bedeutung dieses Tages festhalte, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele Gemeinden bezögen die Erinnerung an die Reformation auch an den Sonntagen rund um den Feiertag mit ein. "Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Erinnerung an die Reformation und ihre Gegenwartsbedeutung nicht verlorengeht", sagte der frühere Berliner Bischof - auch wenn für einige Menschen der Halloweentag mit Süßigkeiten gekoppelt und vielleicht anschaulicher sei als die Reformation.

Mehrere leitende Geistliche der bayerischen Landeskirche haben sich in ihren Predigten zum Reformationstag Gedanken zum Zustand von Kirche und Gesellschaft gemacht. Die scheidende Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner sagte an ihrem letzten offiziellen Arbeitstag im Amt, die Kernbotschaft der Reformation sei das Wissen, dass allein Christus Erlösung bringen könne. "Die Erlösung am Kreuz geschah durch Christus ein für allemal für alle Menschen. Durch den Glauben an ihn, durch das Vertrauen auf ihn, durch das Gespräch mit ihm, wird diese Erlösung in uns wirksam." 

Kopp: Musik ist Mittel gegen die Angst

Einen ganz anderen Schwerpunkt setzte der bayerische Landesbischof Christian Kopp. Er erinnerte in seiner Predigt im Reformationsgottesdienst in der Coburger Morizkirche, der im Radiosender Bayern 1 übertragen wurde, an die beruhigende Wirkung des Singens. Musik und Lieder seien auch für Reformator Martin Luther ein "Mittel gegen die Angst" gewesen. Luther sei "ein begabter, geistreicher Dichter von geistlichen Liedern gewesen", die ihm sicher auch selbst zur Bearbeitung seiner Ängste nützlich waren, betonte Kopp: "So wurde die Reformation auch zu einer Singbewegung." 

Die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski äußerte sich zu den aktuellen Kriegen und stellte fest: "Frieden muss mehr sein als die Abwesenheit von Krieg und Waffen." Der Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler sagte, die Kirche brauche Mut zur Umgestaltung. Der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, Pfarrer Udo Hahn, predigte am Donnerstag über die christlichen Facetten des Grundgesetzes. Regionalbischof Stiegler sagte in der Passauer Matthäuskirche laut Mitteilung, Kirche sei gefordert, Aufbrüche zu wagen und Abschiede anzugehen, damit Menschen Kirche als "ernsthafte Option für ihr Leben" wahrnehmen könnten. 

Der Tutzinger Akademiedirektor Udo Hahn, der mit seiner Predigt in der Herrschinger Erlöserkirche am Donnerstag die dortige neue Predigtreihe "Glauben und Demokratie" eröffnet hat, sagte: "Nach dem Ende der Diktatur des Nationalsozialismus hat die evangelische Kirche an vielen Stellen neu angesetzt." Sie habe dabei Innovationen wie den Evangelischen Kirchentag oder auch die Evangelischen Akademien als Orte des freien Diskurses hervorgebracht. 

Der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige hat am Reformationstag zu einer stärkeren Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Kirchen aufgerufen. "Unsere Kirchen stehen mitten in großen Herausforderungen und sind vielfach mit sich selbst beschäftigt", sagte er in seiner Predigt in dem ökumenischen Gottesdienst in der Hamburger St.-Petri-Kirche. Vertrauensverlust und Glaubensschwund hätten dramatisch zugenommen. Es sei unbestreitbar, dass die Kirchen in der Gesellschaft besser wahrgenommen würden, wenn sie mit einer Stimme sprächen, sagte der Magdeburger Bischof.