Hexe auf einem Scheiterhaufen
epd-bild/Matthias Rietschel
Das Thema Hexenverfolgung spielte auch im Protestantismus eine große Rolle.
Hexenjagd im Protestantismus
Auch Luther predigte gegen "Zauberinnen"
Hexenverfolgung gab es auch im Protestantismus. evangelisch.de hat mit dem Historiker Kai Lehmann über eines der dunkelsten Kapitel der Kirche gesprochen und welche Rolle der Protestantismus darin spielte.

Wer etwas über den Protestantismus und die Hexen erfahren will, der ist bei Kai Lehmann an der richtigen Stelle. Der Historiker hat sich auf dieses Gebiet spezialisiert, hat etwa eine Ausstellung unter dem Titel "Luther und die Hexen" kuratiert und eine Datenbank mit europäischem Ausmaß für Fälle von Hexenverfolgung erstellt.

In den Jahren zwischen 1400 und 1800 sollen laut Angaben des MDR den Hexenprozessen etwa 40.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Darunter vor allem Frauen. Unbekannt ist die Zahl derjenigen, die des Landes verwiesen wurden, sowie derer, die während der Folter starben oder lebenslang unter den Folgen litten. Unter Experten gilt die Hexenverfolgung als die größte, nicht kriegsbedingte Massentötung von Menschen, vor allem von Frauen, in der Neuzeit. Und auch Protestanten waren daran beteiligt.

Der Wahn und die Jagd auf Hexen schwappte in einer ersten Welle im frühen 15. Jahrhundert über Europa und dauerte etwa 100 Jahre bis etwa 1540 an. Nach der Reformation wurde die Hexenverfolgung durch die evangelische Kirche aber nicht beendet, im Gegenteil: Zwischen 1563 und 1700 gab es  wieder vermehrt Verfolgungen und Hexenprozesse. Und auch Martin Luther predigte gegen "Zauberinnen".

Luther forderte Tötung durch das Feuer

"Es hat sich in den Köpfen verfestigt, dass das ein katholisches Ding war", sagt Kai Lehmann. Jedoch sei in vielen Teilen Deutschlands, wie Thüringen, Mecklenburg oder Lippe, auch die protestantische Kirche an der Verfolgung von Frauen und Männern beteiligt gewesen. Und einer ihrer wichtigsten Männer hat mitgemischt.

"Martin Luther war einer der Treiber der Hexenjagd", betont Lehmann. Luther sei fest davon überzeugt gewesen, dass es Hexen gebe und dass sie durch ihre Zauberei Schäden an Mensch, Vieh und Ernte anrichteten, so der Historiker. Luther habe auch zur Tötung der Hexen durch das Feuer aufgerufen.

Weltliche Gerichte für Urteile verantwortlich

1526 hatte der Reformator eine aggressive Hexenpredigt vor seiner Wittenberger Gemeinde gehalten, erläutert Lehmann, in der Luther innerhalb weniger Minuten fünfmal sagte, dass Hexen zu töten seien. Seine Meinung begründete Luther mit dem zweiten Buch Mose in der Bibel, so Lehmann: "Die Zauberin sollst Du nicht am Leben lassen". Weitere berühmte Sätze in diesem Kontext seien: "Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden.", oder: "Ich will der Erste sein, der Feuer an sie legt".

Kai Lehmann

Der Historiker erklärt, dass die Kirche bei der Verurteilung der Frauen keine Rolle spielte – das übernahmen die weltlichen Gerichte. "Jedoch war die Gesellschaft von tiefster Religiosität geprägt", so Lehmann. 

Der Experte erläutert auch, dass die Art der Hinrichtung – das Verbrennen am Scheiterhaufen mit dem vorherigen Verlesen der Geständnisse - die Hexenverfolgung zu einer Art negativem Kulturtransfer erhob. "Daraus entsteht so eine Art Dominosteineffekt", sagt Lehmann. 

Das Ende der Hexenjagden brachte die Aufklärung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. "Dann hat man festgestellt, dass Beschuldigte erst unter der Folter zu Hexen werden", sagt Lehmann. Der Mechanismus sei jedoch der gleiche und stecke jedoch immer noch in den Köpfen: "Man muss versuchen zu verstehen, wieso das passiert ist, und es nachzuvollziehen, um daraus zu lernen, denn die dunkle Seite, wie ich jemand Andersdenkenden ausgrenze und fertigmache, die gibt es heute noch. Man treibt Menschen in der Öffentlichkeit vor sich her, dabei gilt: Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein. Redet miteinander, Eure Gegensätze sind vermeintliche Gemeinsamkeiten."