Neben den Themen Migration und Menschenrechte stehen auch die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt und Konsequenzen daraus auf der Tagesordnung der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Erstmals seit Veröffentlichung der evangelischen Missbrauchsstudie im Januar werden die Delegierten öffentlich über die Ergebnisse diskutieren.
Als Gast wird der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in Würzburg erwartet.
Auch Ratswahlen stehen während der Beratungen vom 10. bis 13. November an. Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im vergangenen Jahr muss über die Nachfolge entschieden werden. Die amtierende Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs will sich zur Wahl stellen, um in den nächsten drei Jahren die deutschen Protestanten zu repräsentieren.
Insgesamt werden 3 Plätze frei im 15 Mitglieder zählenden EKD-Rat. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung verlässt das Leitungsgremium mit dem Beginn seines Ruhestands. Der Bochumer Professor für kirchliches Arbeitsrecht, Jacob Joussen, hatte ebenfalls seinen Rücktritt erklärt. Neben persönlichen Gründen erwähnte er auch Meinungsdifferenzen über die Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt.
Zur Wahl stellen sich die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, der Berliner Bischof Christian Stäblein, Nicole Grochowina, Ordensschwester der evangelischen Communität Christusbruderschaft Selbitz, und die Pastorin Andrea Wagner-Pinggéra, Vorständin der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
Wie üblich tagt die EKD-Synode im Verbund mit der Generalsynode der Lutheraner und der Vollkonferenz der unierten Kirchen. Gemeinsam nehmen sie den Bericht zum Stand der Ökumene während der Tagung entgegen.
EKD-Synode in der evangelischen "Keimzelle" Bayerns
Für evangelische Christen war Würzburg lange kein gutes Pflaster. Erst das Toleranzedikt von 1803 schuf die Grundlage für eine Gleichberechtigung der Konfessionen in der ehemaligen Residenzstadt der katholischen Fürstbischöfe. Die Protestanten konnten erst ab diesem Zeitpunkt Bürgerrechte erwerben und waren den Katholiken gleichgestellt. Die Evangelischen blieben in Würzburg zwar stets in der Minderheit - und trotzdem spielt Würzburg für die Gründung der bayerischen Landeskirche eine große Rolle. Wichtige Impulse für die moderne Kirchenstruktur kamen von dort, die Stadt gilt daher als "Keimzelle" der Landeskirche.
Wenn sich vom 10. bis 13. November bei der 5. Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die evangelischen Kirchenparlamentarier in Würzburg treffen, wandeln sie auch auf diesen historischen Pfaden. Der Eröffnungsgottesdienst am Sonntagmorgen findet in der Dekanatskirche St. Stephan statt - einer früheren katholischen Klosterkirche, die 1803 zur ersten evangelischen Kirche der Stadt wurde. Ein Jahr später wurde in der Gemeinde der vermutlich erste Kirchenvorstand in Bayern gegründet, knapp 50 Jahre bevor die Kirchenvorstände in der späteren bayerischen Landeskirche ganz offiziell eingeführt wurden.
Der frühere Würzburger Dekan Martin Elze schrieb in einer Festschrift über 200 Jahre Evangelische in Würzburg, dass die Stadt "mit guten Gründen" als "Keimzelle" der Landeskirche bezeichnet werden kann. St. Stephan sei nämlich die "erste neue evangelische Gemeinde" im damaligen Kurfürstentum gewesen. Und in Würzburg entstand das erste "bayerische Konsistorium", das die Voraussetzung für eine einheitlich verfasste evangelische Kirche im Königreich Bayern geschaffen hat. Zudem wurden in Würzburg die Vorarbeiten für das Religionsedikt von 1818 geleistet, es gilt als Gründungsurkunde der Landeskirche.
Konfessionelle Bünde in der EKD
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist der Zusammenschluss von 20 Landeskirchen. Unter ihrem Dach gibt es zwei konfessionelle Bünde: In der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sind sieben lutherische Landeskirchen mit zusammen rund 7,8 Millionen Gläubigen verbunden. Die Union Evangelischer Kirchen (UEK) wird von zwölf Landeskirchen gebildet, zu denen mehr als zehn Millionen Christen gehören. Diese überwiegend unierten Kirchen gingen aus dem Zusammenschluss reformierter und lutherischer Kirchen im 19. Jahrhundert in Preußen und anderen deutschen Ländern hervor. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist Mitglied in beiden Bünden.
Seit einigen Jahren verzahnen die EKD und die beiden konfessionellen Zusammenschlüsse ihre Organe und Dienststellen miteinander, um Kräfte zu bündeln und Doppelstrukturen zu vermeiden. Das sogenannte Verbindungsmodell wurde 2007 wirksam. Seit 2009 tagen die Kirchenparlamente von Lutheranern und Unierten sowie die EKD-Synode jeweils örtlich und zeitlich verbunden sowie personell verzahnt. Bei der Synodentagung 2016 stimmten die Delegierten auch für die Zusammenführung der drei Kirchenämter in Hannover.
Eine Vertiefung der gemeinsamen theologischen Arbeit soll überdies zu einer stärkeren evangelischen Profilierung führen, ohne die Bekenntnisunterschiede zwischen lutherischen, reformierten und unierten Christen in Deutschland zu verwischen. Die Vereinbarungen betreffen die Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung zwischen den Kirchenbünden zum Beispiel in den Bereichen Theologie, Liturgie und Ökumene sowie Rechtsangleichungen wie bei den Pfarrdienstgesetzen.