Nicht erst seit dem modernen Klassiker "Der Name der Rose" (1986) mit Sean Connery haben Klosterkrimis einen ganz besonderen Reiz. Uralte Bauwerke mit düsteren Gängen, eine verschworene Gemeinschaft, der ritualisierte Tagesablauf, der vorgegebene, aber nicht immer eingehaltene Lustverzicht: All’ das sorgt für eine mysteriöse Atmosphäre. Es gehört zu den speziellen Merkmalen der österreichischen "Landkrimis", dass Teams aus der Stadt in einer für sie völlig fremden Umgebung ermitteln müssen, aber das Ehepaar Maria und Wolfgang Murnberger – er führte bislang in allen Steiermark-Krimis auch Regie – konfrontiert Sascha Bergmann und Anni Sulmtaler (Hary Prinz, Anna Unterberg) vom LKA Graz nach dem Tod einer jungen Frau mit einer besonderen Herausforderung.
Lara Babic, Studentin der Kunstgeschichte, hatte Zugang zur Bibliothek des Klosters St. Egid, um hier für ihre Masterarbeit zu recherchieren. Entweder war sie zur falschen Zeit am falschen Ort oder sie ist einem Geheimnis auf die Spur gekommen; jedenfalls wird sie eines Morgens leblos am Fuß der bibliothekseigenen Wendeltreppe gefunden. Gestorben ist sie in Folge eines Sturzes, doch es gibt unmissverständliche Hinweise darauf, dass sie in dieser Nacht nicht allein zwischen den 40.000 Büchern war. Wie zu erwarten spitzt das Drehbuch, das diesmal ausnahmsweise nicht auf einer Vorlage von Romanautorin Claudia Rossbacher basiert, die ohnehin schon ungewöhnlichen Ermittlungsumstände noch weiter zu.
Bergmann ist in Bezug auf Religion im Allgemeinen und das klösterlichen Leben insbesondere äußerst skeptisch, was dem zehnten "Steirerkrimi" einige bissige Einzeiler beschert. Kollegin Sulmtaler ist weniger voreingenommen, zumal sie zu ihrer Überraschung auf einen alten Bekannten trifft: Mit dem Novizen Clemens (Kerim Waller) ist sie einst zur Schule gegangen. Damals habe er, wie sie ihrem Vorgesetzten erzählt, nichts anbrennen lassen, und auch Lara war wohl recht angetan von dem gut aussehenden jungen Mann. Theoretisch würde Clemens nun natürlich zum Kreis der potenziellen Täter zählen, aber dafür ist er viel zu sympathisch, zumal er die Ermittlungen nach Kräften unterstützt.
Deutlich suspekter ist dem Duo der Prior des Klosters, zumal er angemessen undurchsichtig von Harald Schrott verkörpert wird; wirkt der Tiroler in einem Krimi mit, gehören seine Figuren automatisch zum Kreis der Verdächtigen. Pater Gregor hat die Schlüsselgewalt im Kloster. In den Räumen der Bibliothek befindet sich auch ein Archiv, zu dem nur wenige Personen Zutritt haben. Hier wird der Nachlass aus einem aufgelösten Kloster aufbewahrt, darunter auch ein uralter Psalter. Das Textbuch enthält sogenannte Stundenblätter, handgemalte Illustrationen von erheblichem Wert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Diese Bilder waren natürlich auch für Laras Arbeit interessant. In ihren Aufzeichnungen entdeckt Unterberger einen codierten Hinweis, weshalb sich Bergmann prompt an "The Da Vinci Code" erinnert fühlt. Die Hauptfigur des auf dem Roman "Sakrileg" von Dan Brown basierenden Films ist Semiotiker, ein Wissenschaftler also, der sich der Entschlüsselung von Symbolen verschrieben hat. Dazu passt das Thema von Laras Arbeit, in der es um versteckte Zeichen in den Buchmalereien des Spätmittelalters geht; prompt entwickelt sich der Fall zur Schnitzeljagd hinter Klostermauern.
Es gibt noch einige weitere interessante Rollen in dieser Geschichte, die selbstredend darauf hinausläuft, dass der Zweck auch mal unlautere Mittel heiligt und einige Klosterbrüder dem Orden der Scheinheiligen angehören. Als Zeuge fürs Alibi des Priors muss ausgerechnet ein dementer Mitbruder herhalten, aber in seinen hellen Momenten bringt der verwirrte Willibald (Klaus Huhle) durchaus Licht ins Dunkel. Schillerndste Figur von "Steirerschuld" ist jedoch ein großzügiger Gönner: Rüdiger Vogt hat das Kloster mit einer erheblichen Summe unterstützt, als die Kosten der überfälligen Dachreparatur durch die Decke gegangen sind, und dafür eine ganz spezielle Spendenquittung bekommen.
Dank Benno Fürmann, mittlerweile ohnehin zumeist als Schurkendarsteller verpflichtet, ist der Kunstsammler selbstredend ebenfalls verdächtig. Neben der verzwickten Geschichte, in der auch der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien und ein menschlich verständlicher, nach den Regeln des Klosters jedoch unziemlicher Fehltritt eine wichtige Rolle spielen, beeindruckt "Steirerschuld" nicht zuletzt durch die sehenswerte Bildgestaltung (Peter von Haller). Das güldene Licht im Archiv ist regelrecht berückend, und auch die Szenen in der Klosterkirche sind kleine Kunstwerke.