Regenbogenfarbiges Licht über Händen.
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Die Jahreslosung 2025 lautet "Prüft alles und behaltet das Gute" (Symbolbild).
Auslegung zur Jahreslosung 2025
Das Prüfen zeigt mir, wie stark mein Glaube ist
"Prüft alles und behaltet das Gute", so lautet die Jahreslosung für 2025. Sie stammt aus dem 1. Brief von Paulus an die Thessalonicher und klingt zunächst sehr allgemein. Der Theologe Wolfgang Baur hat den Bibelvers gründlich analysiert und meint: Prüfkriterium für das "Gute" ist immer der Christusglaube, und der beginnt mit dem Kind in der Krippe. 

evangelisch.de: Herr Baur, wir sprechen ja schon seit zehn Jahren miteinander über die Jahreslosungen. Mittlerweile sind Sie im Ruhestand. 

Wolfgang Baur: Ja, aber ich habe beim Katholischen Bibelwerk einige Ökumene-Aufgaben behalten, unter anderem die Arbeit zur Auswahl der Jahreslosung, weil ich daran so hänge.

Wie lief das Auswahlverfahren für die Jahreslosung 2025? 

Baur: Wir hatten bei der Tagung der ÖAB etwa 40 Vorschläge. Am Schluss in der Endauswahl hatten wir noch ein alttestamentliches Wort dabei, "Gott ist unsere Zuversicht und Stärke" (Psalm 46,2) – auch ein schönes Wort – und dann diesen Vers "Prüft alles und behaltet das Gute" (1. Thessalonicher 5,21).

Die Diskussion darüber war zunächst ziemlich kontrovers, weil die Befürchtung geäußert wurde, dass das Zitat als Allerweltswort missverstanden werden könnte: Gott kommt nicht darin vor. Es könnte auch ein humanistisches Wort sein, das in jedem Kontext vorkommen könnte. Eignet sich sowas als Jahreslosung? Kommt das christliche Profil zum Ausdruck? Dann haben wir aber festgestellt: 1. Thessalonicher 5,21 ist ein unglaublich ergiebiges Wort, das ein zentrales Anliegen der paulinischen Theologie trifft. Es kehrt unsere "Prüfgewohnheiten" um. Wenn man "Prüft alles und behaltet das Gute" separat liest, dann denkt man zunächst an Faktencheck. Und der hat ja ganz oft die Zielrichtung: Ich prüfe etwas, um es auf Fehler hin zu sichten und gegebenenfalls als falsch zu entlarven. Bei Paulus ist es gerade umgekehrt. Es geht hier nicht um das Entlarven von Fake, sondern es geht – wie er davor sagt – zunächst mal darum, dankbar zu sein für alles, dann erst zu prüfen, und erst ganz am Schluss kommt noch "Meidet das Böse in jeder Gestalt". Zunächst kommt das Dankbarsein für alles. Das verändert die komplette Perspektive.

Mir fiel auf, dass genau wie in der Jahreslosung für 2024 das Wort "Alles" auch 2025 wieder eine Rolle spielt. 

Baur: Ja, bei Paulus stößt man immer wieder auf dieses "Alles". In der Jahreslosung für 2024, "Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe" (1. Korinther 16,14), geht es um die gesamte Existenz des Christen, nicht bloß um einzelne Aktionen, dass ich mal nett karitativ wirke oder mich mal engagiere, sondern dass mein ganzes Leben diese Liebe ausdrückt. Im Kontext der Jahreslosung 2025 taucht dieses "Alles" vorher schon auf: "Dankt für alles, denn das ist der Wille Gottes für euch in Jesus Christus." (1. Thessalonischer 5,18). Gott gibt uns eine ganze Menge, und das dürfen wir erstmal alles annehmen, und zwar ohne Berührungsängste. Und im ersten Korintherbrief sagt Paulus: "Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles nützt mir." (1. Korinther 6,12). Das ist ein sehr provozierendes Wort. Wenn ich einem Christen sage: Alles ist dir erlaubt, du darfst eigentlich alles. Aber guck mal, ob es dir und der Gemeinde nützt. Dann gilt es zu prüfen, was "Macht über mich hat". Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht über mich haben. Genau hier beginnt der "Prüfauftrag". Wir Christen haben die Aufgabe, zu differenzieren zwischen allem, das wir machen können, und dem, was wirklich gut tut und gottesgemäß ist.

Wolfgang Baur, geboren 1957 in München, ist katholischer Diplom-Theologe im Ruhestand. Er ist Referent für ökumenische Bibelarbeit beim Katholischen Bibelwerk und Delegierter des Bibelwerks in der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB).

Was können Sie zu dem Verb "prüfen" noch sagen?  

Baur: Das gibt es in der hebräischen Bibel schon, zum Beispiel in Psalm 7: "Gott, du prüfst Herz und Nieren" (Vers 10). Also Gott prüft den Menschen. Auch Paulus sagt in 1. Thessalonicher 2,4: "Wir predigen nicht, um euch irrezuführen (...), sondern wir tun es, weil Gott uns geprüft und uns das Evangelium anvertraut hat, nicht also um den Menschen, sondern um Gott zu gefallen, der unsere Herzen prüft." Und er schreibt dann weiterhin im Galaterbrief:  "Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk." (Galater 6,4) Das ist eine spannende Perspektive. Denn wir sind es ja vielfach gewohnt, andere auf den Prüfstand zu stellen, was sie taugen und können. Bei Paulus sind wir die Prüflinge, die von Gott geprüft werden und die sich selbst prüfen sollen. Und dann geht er weiter: "Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!" (Römer 12,2). Menschen prüfen also sich selbst am Willen Gottes. Und dann später im ersten Petrusbrief, da wird dann der Glaube verglichen mit Gold, das im Feuer geprüft wurde (1. Petrus 1,7). Also dieses Prüfen ist nichts Schlimmes, nichts Negatives. Ich kann da nicht durchfallen. Sondern es ist eigentlich eine positive Zumutung Gottes! Das Prüfen zeigt mir, wie stark mein Glaube ist. Gerade das fanden wir überzeugend: An diesem Prüfen ist etwas Gutes dran! 

 

Damit kommen wir zum dritten wichtigen Wort: Was ist denn das "Gute"? 

Baur: Es geht um das, was dem Einzelnen und der Gemeinde gut tut. Paulus hat da vermutlich etwas ganz Konkretes im Hinterkopf, wenn er an die Thessalonicher schreibt. Denn er war zunächst in Philippi in der ersten europäischen Gemeinde, und da gab es Auseinandersetzungen mit Finanzleuten, mit den Silberschmieden. Paulus musste fliehen, ging nach Thessaloniki, und da gab es wieder Auseinandersetzungen um finanzielle Dinge. In dieser Situation schreibt er der Gemeinde: "Ich lobe euch, dass ihr in allem an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch übergeben habe." (1. Korinther 11,2). Es geht ihm nicht bloß darum, dass die Gemeinde ihm recht gibt, sondern dass sie hinter ihm steht und sagt: Das, was du uns als Evangelium Jesu Christi beigebracht hast, das behalten wir. Daran halten wir fest, auch wenn die anderen meinen, ihre finanziellen Konzepte seien viel überzeugender. Das "Gute und Richtige" ist für Paulus weniger die einzelne Handlung, sondern die Grundorientierung: Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden. Und sein Beispiel, sein Evangelium zeigt uns den richtigen Weg. Das Prüfkriterium ist immer der Christusglaube. Paulus sagt: Jeder, der Christus bekennt als den, der wirklich Mensch geworden ist, der im Fleisch angekommen ist, der verkörpert das Gute und das Richtige. Das Gute, nämlich das Christusbekenntnis, das behaltet auf jeden Fall, und alles andere prüft mal daraufhin, ob es aufbaut, ob es der Gemeinde gut tut als dem Leib Christi.

"Was tut uns in Deutschland gut im Hinblick auf Menschen aus anderen Ländern, die zu uns kommen? Was entspricht einem christlichen Menschenbild"

Was können wir damit konkret in unserer Gesellschaft im Jahr 2025 anfangen? 

Baur: "Prüft alles und behaltet das Gute" ist ein ganz positives Wort, das uns ermutigt, auf der Grundlage des Christusglaubens alles ohne Angst anzuschauen. Wir können zunächst einmal dankbar und positiv dem gegenüberstehen, was uns als Christen begegnet. Das ist ja sehr wertvoll, wenn wir merken: Christen lassen verschiedene Positionen durchaus zu, schauen sich alles ganz ruhig an im Hinblick auf die Frage: Passt das eigentlich zu unserer Glaubensüberzeugung, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist? Das geht hinein in ganz konkrete politische Fragen: Was tut uns in Deutschland gut im Hinblick auf Menschen aus anderen Ländern, die zu uns kommen? Was entspricht einem christlichen Menschenbild? Passt es zu einem christlichen Menschenbild, zu sagen: Jetzt machen wir erstmal die Grenzen dicht? Ich meine: Wenn ich das Wort von Paulus ernst nehme, dann muss ich zunächst mal sagen: Ich bin dankbar für die vielen Menschen, die gerne zu uns kommen wollen. Dankbar für die Menschen selbst, die die Vielfalt bringen. Für die einen ist Vielfalt eine Bedrohung und eine Verunsicherung, für die anderen ist sie eine Bereicherung.

Das Zweite ist das Menschenbild. Ich glaube an die Menschwerdung Gottes. Man muss sich das ja mal geben: Jesus kam in eine Zeit, die alles andere als bequem und gut war. Er kam in Bethlehem oder Nazaret an – sozusagen als göttlicher Asylant, der nicht gern gesehen war. Gott lässt sich auf eine Welt ein, die zerstritten ist, die im Kampf liegt – mit einer Friedensbotschaft, mit einer schwachen, hilflosen Friedensbotschaft. Das ist das christliche Menschenbild, das wir vertreten müssen, und dazu passt es eigentlich nicht, Zäune aufzustellen und zu sagen: Wir versuchen uns zu schützen und die anderen möglichst draußen zu halten.