Der Hund hat Freunde, und die will er sehen. Am liebsten auf jeder Runde. Ich kann es an seinen Ohren ablesen. Schlappohren lassen sich nicht spitzen, aber er macht so eine lustige Bewegung damit, winkelt sie irgendwie an, ist eben einfach auf Empfang. Auf keinen Fall will er sie verpassen.
An manchen Tagen sind die Fellnasen der gesamten Nachbarschaft auf der Straße, an anderen sind wir die Einzigen. Dann hat mein Hund die Nase dicht am Boden, das Schnüffeln nimmt er sehr genau. "Ich rieche was, was du nicht siehst", sagt er. Könnte ja sein, dass ihm jemand eine Nachricht hinterlassen hat.
Auf einer Postkarte habe ich gelesen: "Manche haben ein so großes Herz, dass sie vier Beine brauchen, um es zu tragen." Das klingt sehr kitschig und ist irgendwie auch sehr wahr. Wenn man möchte, kann man darüber streiten, aber angenommen, ein Hund hat Gefühle, dann ist LIEBE garantiert das Gefühl, das er die meiste Zeit fühlt. (Gefolgt von Appetit und Schläfrigkeit, keine Frage.)
Er liebt uns innig, wir sind sein Rudel. Fehlt jemand, wartet er Stunde um Stunde, am liebsten direkt vor dem Gartentor, bis alle wieder im Haus sind. Er vertraut uns blind, streckt alle Viere von sich und hält uns sein Hundeherz hin. Bedingungslos.
Lebensgroße Aufgabe - in kleinen Brocken
Könnte ich mir eine Scheibe von dieser Liebe abschneiden? Die Jahreslosung für das laufende, langsam angewärmte Jahr kommt so bescheiden und unaufgeregt daher – und ist dabei so groß und bahnbrechend.
"Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe." (1. Korinther 16,14) Praktisch anwendbar, in jeder Situation. Ziemlich herausfordernd. Aber auch jedes Mal eine neue Chance. Wie eine dieser alten, nie endenden Wertmarken-Rollen. Gerade war ich ungeduldig oder aufbrausend, ja, schade. Vielleicht kann ich es im nächsten Moment anders machen. In Liebe reagieren. Ich finde, Jesus hat diese lebensgroße Aufgabe sehr schön für uns heruntergebrochen - in kleine Brocken, mit denen wir doch fertig werden können.
Mirjam Zücker, 1980 geboren, hat Skandinavistik studiert, eine Zeitschrift gegründet, ein paar gemäßigte Jahre in Berlin verbracht und lebt inzwischen mit Familie und Hund im sandigen Havelland. Sie schreibt vor allem für Kinder, ab und an auch für Erwachsene. Geboren wurde sie in Mecklenburg und ihr Herz schlägt ungebrochen für den Norden.
Der Hund erinnert mich daran. Wie er mich anschaut, wenn ich in die Küche komme, und mit der Rute klopft, es klingt fast wie Beifall. Ihm ist ganz egal, ob ich heute schon etwas geleistet habe, ob die Haare gestylt sind oder nicht. Ihm bin ich immer genug. Schopenhauer sagte: "Wer nie einen Hund gehabt hat, weiß nicht, was Lieben und geliebt werden heißt." Er hatte absolut Recht.
Lockt die Freiheit, kann er nicht widerstehen
Der Hund hat einen Liebling: Edgar Wiese. Es war Liebe auf den ersten Blick – genau genommen, auf den ersten Nasenstups. Edgar zog letztes Jahr ein paar Straßen weiter ein. In das Haus mit dem auffallend schönen Garten. Wir bewunderten ihn beim Spazierengehen schon lange. Aber in dem Alter, in dem ich über den Zaun rufe, bin ich noch nicht ganz. Mit Edgar gab es unverhofft Berührungspunkte. Wenn sich die beiden begegneten, brach eine helle Freude aus, und zwar lautstark. "Getroffene Hunde bellen" – endlich verstehe ich, was das bedeutet! Es ist ihre Sprache, ihr großes "Hallo! Spiel mit mir! Ich freue mich wie irre, dich zu treffen!"
Neulich muss Edgars Sehnsucht sehr groß gewesen sein. Ich war beim Wand streichen, mein Hund im Garten. Dachte ich jedenfalls. Unser Postbote klingelte Sturm, um zu sagen, dass mein Hund draußen auf der Straße herum tobte. Der Frechdachs. Irgendjemand hatte das Tor offen gelassen, und wenn die Freiheit lockt, dann kann er nicht widerstehen – bei aller Liebe. Er kennt ja den Weg nach Hause. Ich pfiff ihn zurück und war erleichtert. "Da läuft noch ein Hund frei herum", rief der Postbote. (Er ist selbst Hundehalter, er ist einer von "den Guten".)
Freunde mit dem schönsten Garten
Tatsächlich, Edgar war ausgebüxt und wollte seinen Freund besuchen. Oder er war einfach der Nase nachgelaufen. Ich schnappte ihn, er ist ein Bolonka, ein russischer Zarenhund, den man sich unter den Arm klemmen kann. Und dann kam der Ausreißer an die Leine und ich brachte ihn zurück, farbbekleckert wie ich war. Er lief sehr artig bei Fuß (ganz anders als mein Hund, der es immer eiliger hat als ich.) Alle paar Schritte schaute Edgar schuldbewusst zu mir hoch. "Ja, ich weiß, das war nicht in Ordnung. Ich folge dir jetzt."
Von seinen Menschen wurde er schon eine Stunde gesucht und hatte Tränen verursacht. Die wechselten mit dem Wiedersehen schnell zu Freudentränen und großer Erleichterung. Jetzt habe ich Freunde mit dem schönsten Garten der Nachbarschaft. Hundemenschen verstehen einander ohne viele Worte.
Leben und Liebe - das gehört noch enger zusammen
Gleich um die Ecke wohnt eine alte Dame, elegant und leicht vergesslich. Ich wette, sie wurde sogar hier geboren. Ich bewundere sie. Vom Leben gezeichnet, aber immer wohlwollend. Bei jeder Begegnung staunte sie, wie seidenweich mein Hund war und konnte sich einfach nicht merken, dass er kein Mädchen ist. Meist begegnete ich ihr, wenn wir unsere Runde begannen, da war sie mit ihrer Hündin Akina schon gelaufen und freute sich auf ihren Frühstückskaffee. Die Hündin folgte ihrer Herrin leinenlos.
Seit Beginn des Jahres habe ich die beiden nicht mehr getroffen. Kein gutes Zeichen. Akina war sehr alt, sie begrüßte meinen Hund mit milder Nachsicht, wenn er überstürmisch seine Schnauze durch den Zaun steckte.
Inzwischen habe ich erfahren, dass die Hündin krank geworden und ihre Zeit verstrichen war. So sind die Spielregeln hier, alle haben einen Anfang und ein Ende. Und wohl denen, die die Lebenszeit dazwischen wirklich mit LEBEN zu füllen wissen. Das gehört noch viel enger zusammen, Leben und Liebe, als ich in meinem geschäftigen, gestressten, sinnsuchenden Alltag denke.
Ich schaue jetzt einfach mal eine Weile in Ruhe meinem Hund zu, der ganz genau weiß, wann es Zeit ist, eine Pause zu machen und auszuruhen, damit neue Kraft wächst für das nächste wilde Spiel. Und bleibe einmal mehr hängen an dem Jesus, der nicht müde wird, mir so sanft und freundlich zu sagen: "Hey. Folge mir nach." Auf in die nächste Runde!