Für Joseline Preckel geht nach dem Mittagessen die Arbeit erst richtig los. Wenn die Kinder aus der Schule kommen, macht sie mit ihnen Hausaufgaben oder übt mit ihnen Lesen. Seit Anfang August absolviert die 19-Jährige aus Sachsen-Anhalt ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Heilpädagogischen Zentrum Don Bosco der Caritas in Wolmirstedt bei Magdeburg.
Rund 20 Kinder leben hier, neun weitere kommen in die Tagesbetreuung. Der Jüngste ist sieben Jahre alt, die Ältesten sind gerade volljährig. Viele haben Entwicklungs- oder Verhaltensstörungen, manche haben Gewalt oder starke Vernachlässigung in der Familie erfahren. Joseline Preckel wollte hierher, hat sich bei einer Stellenbörse diese Einrichtung ausgesucht. "Ich wollte in einem Wohnheim mit Kindern arbeiten", sagt die junge Frau. Jeden Tag erlebe sie den Alltag der Kinder und Jugendlichen mit, manche vertrauten ihr auch ihre Sorgen oder Nöte an.
Einrichtungsleiterin Doreen Rosenberger ist auf solche jungen Menschen angewiesen. Zwei FSJ-Stellen gibt es im Don-Bosco-Heim, in diesem und im letzten Jahr konnte mangels Bewerbungen nur eine davon besetzt werden. Die jungen Freiwilligen passen beim Spielen auf die Kinder auf, helfen im Haushalt und unterstützen, wo sie können.
Und FSJler seien wichtig, um Nachwuchs zu gewinnen, betont Rosenberger. "Sie könnten die künftigen Fachkräfte sein", ist sie überzeugt. Einige von ihnen seien in den vergangenen Jahren als Mitarbeiter übernommen worden. Ein Großteil der FSJler entscheide sich hinterher für einen Beruf im sozialen, pädagogischen oder pflegerischen Bereich, bestätigt auch Stefan Zowislo, Sprecher der Caritas im Bistum Magdeburg.
Würden diese Stellen wegfallen, hätten die Menschen in den Einsatzstellen die Konsequenzen zu tragen. "Das betrifft den Spaziergang mit der Bewohnerin eines Pflegeheims, die ohne Hilfe nicht mehr das Heim verlassen kann, genauso wie den lernschwachen Erstklässler, der dankbar ist, wenn jemand mit ihm die Matheaufgaben noch einmal in Ruhe durchgeht", macht der Caritassprecher deutlich.
Der Deutsche Caritasverband vergibt nach eigenen Angaben bundesweit rund 11.000 Plätze für Freiwilligendienste pro Jahr. Durch die geplanten Einsparungen könnten bis zu 15 Prozent dieser Plätze wegfallen, befürchtet der katholische Sozialverband.
Ähnliche Befürchtungen hat auch die evangelische Diakonie. Die Träger von Evangelischer Jugend und Diakonie mit insgesamt rund 14.000 FSJlern pro Jahr kämpften bereits jetzt etwa mit steigenden Personalkosten oder seit Jahren nicht erhöhten Tagessätzen. Mit den geplanten Einsparungen werde es vermutlich weniger Freiwillige geben, bestätigte Rainer Hub, bei der Diakonie zuständig für die Freiwilligendienste. In welchem Umfang der Abbau geschehe, könne aber derzeit nicht verlässlich abgeschätzt werden.
Das Freiwilligenjahr vermittle ihr praktische Lebenserfahrung, sagt Joseline Preckel. Und es helfe ihr herauszufinden, ob sie für einen sozialen Beruf geeignet sei. Nach dem FSJ will sie Soziale Arbeit studieren, das Jahr wird ihr bei der Bewerbung um einen Studienplatz als Wartesemester angerechnet.
Inzwischen sind die Kinder aus der Schule zurück und mit dem Mittagessen fertig. Mit einem der neun Kinder, die in ihrer Wohngruppe leben, liest sie gemeinsam ein Kinderbuch. Der Junge hat merklich Schwierigkeiten dabei, liest sehr langsam oder lässt einzelne Laute aus. Sie greift behutsam ein, motiviert ihn zum Weitermachen, wenn er keine Lust mehr hat. Schließlich lachen beide gemeinsam, bei dem Jungen löst sich die Anspannung.