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18. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wäldern"
Nur mal angenommen, es gäbe noch andere Welten, ungleich düsterer als die hiesige, und von Zeit zu Zeit täte sich ein Riss auf. Dann könnte das Grauen, das dort haust, zu uns herüberkommen; und umgekehrt. Das ist die Basis dieses Zweiteilers, wobei zumindest der Auftakt lange offen lässt, ob in der Kleinstadt Wäldern im Bergischen Land tatsächlich finstere Gestalten aus dem Jenseits ihr Unwesen treiben. 

Till Franzen hat mit "Lauchhammer – Tod in der Lausitz" (ARD, 2022) eine der besten Serien der letzten Jahre gedreht. Für den Krimiregisseur, der auch die Idee zu der Geschichte hatte, ist "Wäldern" ein recht ungewöhnlicher Stoff. Die Umsetzung seines gemeinsam mit Martin Simon verfassten Drehbuchs hat ihm jedoch offenkundig großes Vergnügen bereitet: Gerade der erste Film zieht alle Register des Genres und verbreitet auf diese Weise wohlige Schauer. Er beginnt in einer mystisch inszenierten Felslandschaft. Ein Mädchen turnt übermütig auf den Brocken herum und ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

Die eigentliche Handlung setzt einige Monate später ein: Pianistin Lara (Rosalie Thomass) ist in ihre Heimat zurückgekehrt, um nach ihrer 14jährigen Nichte zu suchen. Die offizielle Fahndung ist ergebnislos geblieben, die Polizei geht davon aus, dass Magda abgehauen ist. Lara hat eine Stelle als Musiklehrerin angenommen und bekommt einen neuen Schüler. Schon beim Betreten des Musikraums markiert Franzen den schüchternen Aaron (Laurids Schürmann) als Mobbingopfer, und tatsächlich lässt die erste widerwärtige Demütigung nicht lange auf sich warten.

So könnte auch ein um Krimielemente ergänztes Schuldrama beginnen. Selbst für die diversen Mystery-Momente ließen sich rationale Erklärungen finden. Allerdings häufen sich die Anzeichen, dass rund um den Ort Dinge vor sich gehen, die zumindest merkwürdig sind. Bei ihren Nachforschungen findet Lara raus, dass es in der Vergangenheit schon des Öfteren ominöse Vorkommnisse gegeben hat: Magda ist nicht das einzige Kind, das verschwunden ist. Aaron war ebenfalls mal weg, und sogar Lara selbst war als Achtjährige einen Tag und eine Nacht unauffindbar. Plötzlich tauchte sie wie aus dem Nichts im Keller ihres Elternhauses wieder auf. Sie hat das Ereignis allerdings völlig vergessen, ihre Schwester Greta (Narges Rashidi) erinnert sie daran. Mit Hilfe einer esoterischen Expertin (Sabine Vitua) für Trauma-Bewältigung hofft Lara, durch die Reise in ihre eigene Vergangenheit auch das Rätsel rund um Magda zu lösen.

Spätestens jetzt entwickelt sich die Geschichte in eine paranormale Richtung, nun geht es um alte keltische Opferstätten und vermeintlich satanische Verse. Ein emeritierter Professor (Peter Franke) für ungewöhnliche Phänomene macht Lara mit einer Welt vertraut, von deren Existenz sie bislang keine Ahnung hatte. Wer nicht bereit ist, sich auf die entsprechenden Genrezutaten einzulassen, wird an "Wäldern" keine Freude haben.

Gerade die Bildgestaltung (Kamera: Alina Albrecht) ist jedoch faszinierend, zumal Franzen neben düsteren Waldimpressionen optische Bruchstücke einstreut, die im Zusammenspiel mit der wenig melodischen, aber unheilvollen Musik (Hannah von Hübbenet, Raphael Schalz) sowie dem Sounddesign für eine unbehagliche Atmosphäre sorgen. Besonders unheimlich sind die Visionen, die Lara regelmäßig überfallen, wenn sie eins der vielen seltsamen Schriftzeichen berührt, mit denen sie ständig konfrontiert wird. 

Der erste Film ("Das verschwundene Mädchen") ist daher ein großes Gruselvergnügen. Die Handlung ist in sich abgeschlossen, die Bedrohung durch einen mutmaßlichen Dämon vorübergehend gebannt, aber das Geheimnis der verschwundenen Kinder bleibt ungelöst. Die Fortsetzung (Freitag um 22.15 Uhr) erzählt eine neue Geschichte: Die vor zwei Jahren verschollene Merle ist plötzlich wie aus dem Nichts wieder da; Franzen hat den Augenblick der Rückkehr als formvollendeten Gänsehautmoment inszeniert.

Trotz der Entdeckung eines unterirdischen Labyrinths erreicht "Das Böse hinter den Spiegeln" nicht die Intensität der ersten neunzig Minuten, zumal Lara diesmal nur noch mittelbar betroffen ist. Darstellerisch hält der Zweiteiler sein Niveau jedoch.

Neben Moritz Führmann als Vater des Mädchens beeindruckt nun vor allem die junge Tilda Jenkins. Allein der stechende Blick Merles, die ähnlich wie Lara keinerlei Erinnerungen an die Zeit ihres Verschwindens hat, aber nicht mehr dieselbe ist wie vorher, weckt finstere Vorahnungen. Der Schluss schreit nach Fortsetzung. Ob es die geben wird, macht der WDR von den Zuschauerzahlen abhängig.