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16. September, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Geier: Die Tote mit dem falschen Leben"
"Die Tote mit dem falschen Leben" basiert auf dem Lago-Maggiore-Krimi "Tutto bene" von Andrea Di Stefano. Hinter dem Pseudonym verbergen sich die Brüder Andreas und Stephan Lebert, sie waren auch am Drehbuch (Dirk Eisfeld) beteiligt.

Wer in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird, erhält eine neue Identität; die Betroffenen müssen ihr bisheriges Dasein komplett hinter sich lassen. Der Thrill, den die entsprechenden Krimis aus dieser Vorgeschichte ziehen, liegt auf der Hand: Meist haben die Personen gegen ein Syndikat ausgesagt. Geraume Zeit später findet die Organisation heraus, wo sie mittlerweile wohnen, und schickt einen Killer.

So ergeht es offenbar auch Lukas Geier, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. Er hat zwar ebenfalls ein neues Leben begonnen, aber nicht als Schutzbedürftiger: Der Mann ist Popstar, hat bis vor sechs Jahren jedoch als Polizist in Bayern Menschen, die untertauchen mussten, mit entsprechenden Legenden versorgt. Nun wird er von der Vergangenheit eingeholt, als eine frühere Schutzbefohlene in einem Bad Gasteiner Hotelzimmer erstochen wird; auf ihrem Arm steht seine Telefonnummer. 

"Die Tote mit dem falschen Leben" basiert auf dem Lago-Maggiore-Krimi "Tutto bene" von Andrea Di Stefano. Hinter dem Pseudonym verbergen sich die Brüder Andreas und Stephan Lebert, sie waren auch am Drehbuch (Dirk Eisfeld) beteiligt. Die Verlagerung der Geschichte nach Bad Gastein tut ihrem Reiz keinerlei Abbruch, zumal die Gegend des Gasteinertals nicht minder beeindruckend ist. Natürlich kommt er imposante Wasserfall mitten in dem ohnehin gern als Schauplatz genutzten Kurort angemessen zur Geltung, aber ansonsten lässt Kamerafrau Eva Testor die Umgebung dank vieler Nebelbilder eher abweisend und bedrohlich wirken. 

Da Geier oberhalb des Ortes in einer geräumigen Berghütte lebt, ist die Präsenz der Landschaft ebenso angebracht wie die bedrohliche Atmosphäre: Die zuständige Salzburger Kommissarin Franziska Conte (Julia Koch) hält ihn für den Mörder der Frau. Er hat kein Alibi und darf das Missverständnis nicht aufklären; Zeugenschutz gilt über den Tod hinaus. Sein ehemaliger Chef, Frank Becker (Herbert Knaup), hat sich daher eine komplizierte Geschichte ausgedacht, die die Verbindung zwischen Geier und dem Opfer erklären soll; unser Geschäft, stellt der berufsmüde Kommissar fest, "ist die Lüge." 

Die Frau hatte vor 16 Jahren verdeckt gegen einen der wichtigsten Anführer der kalabrischen Mafia in Deutschland ermittelt. Als sie enttarnt wurde, hat Geier ihr in Bad Gastein eine neue Existenz aufgebaut, dort heiratete sie den Puppenspieler Bollisto (Harald Windisch). Die Vorgeschichte wird in Form geschickt integrierter Rückblenden nachgereicht. Der Mafiaboss ist damals rechtzeitig untergetaucht und seither verschwunden. Geier betrachtet seine Nummer auf dem Arm der Frau als Drohung. Tatsächlich wird die Rache der Mafia schließlich ein weiteres Opfer fordern, aber er ist es nicht, wie Fans der Di-Stefano-Krimis wissen: Es gibt einen zweiten Roman mit dem singenden Ex-Beamten ("Buona Notte"). 

Schon allein der Handlungsrahmen und die Besetzung sind sehenswert, zumal zum Ensemble auch noch Jutta Speidel als ehemalige Präsidenten des Bundesverfassungschutzes gehört. Dass es zwischen Geier und Conte alsbald knistert, ist zwar wenig überraschend, beschert den Ermittlungen aber eine reizvolle zusätzliche Ebene. Mit Geiers Jugendliebe Lara Schnee (Patrizia Aulitzky) gibt es noch eine weitere Frau, auch wenn die beiden, wie Geier versichert, heute vor allem eine Freundschaft verbinde. Zu einem besonderen Film wird "Die Tote mit dem falschen Leben" jedoch wegen Philipp Hochmair, dem die Titelfigur viel Spielmaterial bietet: Als Musiker darf er auch seiner zweiten Passion frönen.

In Laras Hotel kommt es zu einem ausgesprochen hörenswerten Duett, als er gemeinsam mit Patrizia Aulitzky den Titelsong der Romanvorlage zum Besten gibt. Fiktion und Wirklichkeit begegnen sich, als Geier dem Puppenspieler anbietet, dessen Inszenierung von "Jedermann" mit dem Akkordeon zu begleiten; Hochmair hat seine Band "Die Elektrohand Gottes" 2013 anlässlich seines Soloprojekts "Jedermann Reloaded" gegründet. 

Regie führte Christian Werner, der zuletzt das für den Sonntagssendeplatz im ZDF eher ungewöhnliche Drama "Kleine Eheverbrechen" (2023) gedreht hat. Hochmair spielt darin einen Krimiautor, der einen Gedächtnisverlust vortäuscht, um seine Ehe zu retten. Werners Langfilmdebüt war die von der ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel finanzierte heitere Tragikomödie "Irgendwann ist auch mal gut" (2020) mit Fabian Hinrichs als Sohn eines Bestatterpaars, das gemeinsam aus dem Leben scheiden will. Derzeit laufen die Dreharbeiten zum zweiten "Geier"-Film.