Es ist endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen - und das nicht nur schemenhaft, sondern klar und deutlich. "Im Juni 2026, in weniger als zwei Jahren, wird die letzte Rate von 500 Euro fällig, dann bin ich schuldenfrei", sagt Dieter P. und blickt erleichtert zu seinem Betreuer Holger Sölter und Schuldnerberaterin Sabine Taufmann vom Diakonieverband Hannover-Land.
Beide sitzen an seinem Bett in einem winzigen Zimmer eines Pflegeheims im Umland der Stadt Springe in der Region Hannover und besprechen die weiteren Schritte - wie so oft in den vergangenen zehn Monaten. Der 75-Jährige kann nicht aufstehen, sein linker Unterschenkel wurde amputiert, er ist Diabetiker, hat einen Katheter.
Zutiefst dankbar sei er Frau Taufmann, "dass sie mit mir geholfen hat, aus meinen Schulden herauszukommen". Immer wieder sei sie gekommen, um ihn zu beraten, alle Unterlagen zusammenzubekommen, mit Gläubigern zu sprechen, Vergleiche auszuhandeln. "Das ist ja keine Selbstverständlichkeit, ich jedenfalls hätte sie nicht aufsuchen können, ich komme hier ja nicht weg", sagt der gebürtige Hamelner und lässt seinen Kopf ins Kissen sinken.
2023 hat die Diakonie Deutschland das Projekt "Sozialräumliche soziale Schuldnerberatung für Senior:innen" gestartet. Das Bundesverbraucherministerium finanziert das Projekt, das bis 2025 läuft, mit 1,37 Millionen Euro. Ziel sei es, älteren Menschen den Zugang zur Schuldnerberatung zu erleichtern und ein tragfähiges Zukunftskonzept für diese Zielgruppe zu entwickeln, sagt Schuldner- und Insolvenzberaterin Taufmann. "Gerade bei Älteren ist die Scham oft groß, sie versuchen alles allein hinzubekommen und kennen häufig ihre Rechte nicht." Zum Beispiel, dass es bei 1.500 Euro netto eine Pfändungsgrenze gibt. "Ich habe mal eine Dame beraten, die hat verlässlich ihre Raten gezahlt, ihre Katze hat sie auch gefüttert, nur für sie selbst blieb nichts, nicht mal etwas Anständiges zu essen."
Das waren schlimme Zeiten
Wie man sich fühlt, wenn zwei existenzielle Sorgen, gesundheitliche und finanzielle, zusammenkommen, weiß P. "Das waren schlimme Zeiten, wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mich aus dem Fenster gestürzt", sagt er. Dabei fing alles ganz harmlos an. Der Mann, der Soldat und Fuhrunternehmer war, hat eine stattliche Rente: 3.000 Euro. Geldsorgen kannte er nicht, krankenversichert war er privat. Das klappte jahrzehntelang gut. "Die haben immer anstandslos alles bezahlt."
Bis zu dem Tag, an dem P. ernsthaft krank wurde und von der Klinik in sein erstes Pflegeheim kam. Um seine Finanzen kümmerte sich von da an seine Nichte. Sie öffnete seine Post, reichte die Rechnungen ein - von Ärzten, Apothekern, Therapeuten, Klinik, Heim. "Das ist wichtig, denn wenn man privat krankenversichert ist, muss man in Vorleistung gehen, und es sich dann erstatten lassen", erklärt P.
20.000 Euro Schulden hatten sich angehäuft
Damit das alles klappt, braucht es jemanden, der den Überblick hat, der weiß, wie hoch der Eigenanteil ist, welche Rechnung bereits erstattet wurde, welche beglichen werden muss, der nachfragt, wenn etwas nicht stimmt und gegebenenfalls Widerspruch einlegt. Seine Nichte sei damit überfordert gewesen. Dann sei auch noch ihr Mann gestorben, und es sei ihr alles über den Kopf gewachsen.
P. wurde auf das sich anbahnende finanzielle Drama erst aufmerksam, als die Apotheke wegen der unbezahlten Rechnungen kein Insulin mehr liefern und das Heim ihn in die Klinik verlegen wollte. "Die sagten, wir können sie hier nicht mehr versorgen." Das Konto von Dieter P. war leer, 20.000 Euro Schulden hatten sich angehäuft.
Seiner Nichte macht P. keine Vorwürfe, höchstens einen. "Sie hätte mir früher Bescheid sagen müssen." Der erste rechtliche Betreuer, der P. in dieser schwierigen Situation helfen sollte, erwies sich als Flop. "Er war neu, Herr P. sein erster Fall, und dann wurde er auch noch krank", sagt Sölter, der aktuelle Betreuer. Dieter P. sagt von ihm: "Mit ihm ging es bergauf."
Sölter nahm Kontakt zur Schuldnerberatung für Senioren der Diakonie und zu Taufmann auf. Gemeinsam arbeiteten sie das Finanzchaos auf. "Ich hatte Einblick in die Unterlagen, kannte die Zahlen, sie wusste, was zu tun ist", sagt Sölter und blickt anerkennend zu Taufmann. Stunden saßen sie am Bett von P. "Wir haben alles zu dritt besprochen, Herr P. hat sich eingebracht - das war wichtig", sagt die Schuldnerberaterin.
Am Ende standen viele Gespräche, vor allem mit den Gläubigern. P. wechselte in den Notlagentarif seiner Krankenversicherung und zahlt nun statt 860 nur noch 300 Euro, mit dem Hauptgläubiger wurden ein Vergleich und Ratenzahlung vereinbart, drohende Vollstreckungen und die Pfändung von Renten- und Pflegeheimkonto konnte Taufmann abwenden.
"Im Mai dieses Jahres war klar: Wir bekommen das hin", sagt sie. Und P. ergänzt: "Endlich konnte ich aufatmen." 200 Euro Taschengeld bleiben ihm jetzt. "Dafür gönne ich mir ab und an mal eine Pizza."