Zum 1. Januar 2025 werden die sechs Prodekanate aufgelöst, ein Leitungsteam von sechs Dekanen teilt sich dann die Zuständigkeiten zwischen Petershausen im Norden und Höhenkirchen im Süden auf.
epd: Herr Liess, wenn es ab Januar die Prodekanate nicht mehr gibt, wer behält dann den Überblick darüber, was im Münchner Gesamtdekanat läuft?
Bernhard Liess: Das ist die Aufgabe der neuen, großen Dekanatssynode: In ihr sind alle Gemeinden und Einrichtungen vertreten, das spiegelt die Vielfalt und die Einheit des Ganzen wider. Weil sich dieses Gremium nur etwa zweimal im Jahr treffen wird, braucht es zusätzlich Plattformen der Begegnung, um sich auszutauschen und neue Wege zu diskutieren. Das operative Geschäft führt der Dekanatsausschuss. Er wird, zusammen mit den Ausschüssen für Bau, Finanzen und Personal, die großen Fragen des Dekanats bearbeitet.
Zentral statt dezentral: Leidet durch die Strukturreform nicht die Gestaltungsmöglichkeit vor Ort?
Liess: Die Prodekanate organisieren das kirchliche Leben vor Ort gut. Zugleich erzeugen sie Zentrifugalkräfte, die es schwer machen, eine Gesamtstrategie festzulegen: Wie soll evangelische Kirche im Metropolraum sichtbar und erkennbar sein? In Zeiten zurückgehender Ressourcen von Personal, Finanzen und auch Relevanz ist so eine Gesamtstrategie dringend nötig.
Aber wir setzen dieser zentralistischen Perspektive ein lokales Prinzip entgegen: Bis 2026 bilden die 63 Münchner Gemeinden Nachbarschaftsräume, in denen sich vier bis fünf Hauptamtliche um etwa 10.000 bis 14.000 Mitglieder kümmern. Sie können die Arbeit vor Ort gut in den Blick nehmen; das wollen wir stärken.
Zu Beginn der Reformdebatte gab es die Idee, München in zwei Regionen links und rechts der Isar aufzuteilen. Wäre das nicht handlicher gewesen?
Liess: Diesen Plan gab es, aber ich finde es eine geniale Idee, jetzt ganz auf Regionen zu verzichten. Sie würden nur neue Identitäten zementieren und müssten am Ende doch wieder verändert werden.
"Wir wollen eine agile Organisation werden."
Wir wollen eine agile Organisation werden, die ihre Arbeit über verschiedenste Plattformen organisiert: Wir könnten eine Runde aller geschäftsführender Pfarrerinnen und Pfarrer berufen oder ein Format, in dem sich Hauptamtliche aus Gemeinden und Evangelischen Diensten treffen oder spontane Ad-hoc-Gruppen, die themenbezogen arbeiten. Da wollen wir kreativ werden, denn die große Frage für das künftige Dekanat ist, wie wir gut kommunizieren.
Keine Prodekanate heißt auch: keine Prodekanatssynoden. Gibt es durch deren Abschaffung künftig weniger Möglichkeiten zur Mitbestimmung der Menschen vor Ort?
Liess: Nein, denn in der Dekanatssynode sind alle Kirchengemeinden und Einrichtungen vertreten. Und durch die Nachbarschaftsräume können Menschen vor Ort in hohem Maß selbstständig Akzente setzen, auch bei der Immobilienfrage und dem Einsatz von Hauptamtlichen. Weil das eine stärkere Begleitung durch die Dekane erfordert, haben wir den Leitungsanteil ihrer Stellen von meist 0,5 auf 0,9 erhöht. Künftig ist für Dekaninnen und Dekane in München keine Gemeindearbeit mehr vorgesehen, geschweige denn eine Pfarramtsführung. Stattdessen wird jede der sechs Stellen für eine bestimmte Zahl Hauptamtlicher und zusätzlich für ein konkretes Thema wie Spiritualität oder Finanzen zuständig sein. Das legen wir im Geschäftsverteilungsplan fest, der weitgehend fertig ist.
Die neue Dekanatssynode könnte knapp 100 Mitglieder haben, das ist fast Landessynoden-Format. Wer soll alles dabei sein?
Liess: Unter anderem die sechs Dekaninnen und Dekane, bis zu zwölf Pfarrerinnen und Pfarrer, je ein KV-Mitglied von jeder Gemeinde, bis zu zwölf Berufene aus dem Bereich der Evangelischen Dienste, der Diakonie, der Jugend und je eine Person aus den verschiedenen kirchlichen Berufsgruppen wie Diakone oder Kirchenmusiker. Wir hätten gern eine noch flexiblere Zusammensetzung des Gremiums, aber da müssen wir auf die Beschlüsse der Landessynode warten. Die Dekanatssynode trifft sich wahrscheinlich an zwei Tagen im Jahr. Zusätzlich kann der Dekanatsausschuss, dem 19 Personen angehören werden, Synodale in die Unterausschüsse berufen - die Vollsitzung ist also nicht die einzige Möglichkeit, mitzugestalten.
Bislang waren alle Dekanatssynoden in München öffentlich. Dekanatsausschüsse tagen in der Regel nicht-öffentlich. Leidet künftig die Transparenz von evangelischer Kirche in München?
Liess: Wir sind da an die entsprechenden Kirchengesetze gebunden, die für Dekanatsausschüsse Nichtöffentlichkeit vorgeben. Aber unsere Arbeit soll natürlich auch künftig transparent bleiben. Dafür müssen wir Wege finden, gut zu kommunizieren.
Letztlich ist die Strukturreform nur die Vorarbeit für einen inhaltlichen Prozess zur Frage: Welche Aufgaben soll die evangelische Kirche in München künftig in den Mittelpunkt stellen? Wann geht es damit los?
Liess: So bald als möglich. Ich würde gern schon im Herbst erste Überlegungen anstellen, wie so ein Prozess aussehen muss, damit er gelingt. Unsere Erfahrung aus der Strukturreform ist: Niemand darf den Eindruck bekommen, es gäbe eine "hidden agenda"; es braucht Transparenz, Transparenz, Transparenz. Mit dieser Haltung haben wir es geschafft, die Reform mit vielen offenen Fragen, aber ohne Konflikte zu erarbeiten. Ich war beeindruckt, wie offen und bereitwillig sich alle Beteiligten auf das Neue und Ungewisse eingelassen haben. Die oft zitierten beharrenden Kräfte, die das Alte nicht loslassen wollen, gab es nicht.