"Ich kam aus einer Familie, die christlich geprägt war, aber nicht unbedingt politisch. Dass man politisch und fromm sein kann, habe ich dort gelernt", sagt die frühere hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (Freitag, online). Als 16-Jährige sei sie 1974 bei ihrem einjährigen Aufenthalt in einem Internat in Lakeville an der Westküste der USA mit Rassismus und seinen Folgen in Berührung gekommen. Auf Tonbändern habe sie Reden des Baptistenpastors und Menschenrechtsaktivisten Martin Luther King gehört. "Kaum jemand konnte so faszinierend reden wie er. Das hat mich inspiriert, Theologie zu studieren."
Käßmann bedauert, dass der Rassismus und die gesellschaftliche Spaltung in den USA bis heute andauerten und sich teilweise sogar weiter verschärft hätten. Bei einer Gastprofessur in Atlanta habe sie 2010 erlebt, welche "abgrundtiefen Verwerfungen" dort entstanden seien. "Heute bereitet mir die 'Make America Great Again'-Anhängerschaft große Sorgen. Und wenn wir erleben, was durch Donald Trump dort an Hass entsteht, dann ist das schrecklich." Auch in Deutschland gelte es, ähnliche Entwicklungen im Blick zu haben und sich ihnen entgegenzustellen.
Ihre Haltung zu Krieg und Frieden sei ebenfalls nachhaltig durch ihre Erfahrungen in den USA geprägt worden, erläutert die Theologin. Die Debatte um den Sinn des Vietnam-Krieges habe zu jener Zeit eine große Rolle gespielt. "Diese Idee, dass Nationalismus so falsch ist wie Krieg an sich, was es bedeutet zu siegen oder wie im Fall der USA eben nicht - mich hat das tief bewegt, auch als ich wieder in Deutschland war. Das hält bis heute an."