Aber schon 2018, als das ZDF den heute von 3sat wiederholten Film "Der Wiederkehrer" ausgestrahlt hat, haben sich alle Hoffnungen erfüllt, die vor allem die zweite Episode ("Stille Wasser") geweckt hat; und das nicht nur, weil die Geschichte, die Timo Berndt damals begonnen hat, zu einem Ende geführt wird.
Berndt hat fortan mehrere Jahre lang sämtliche Drehbücher geschrieben; das war die erste gute Idee der Verantwortlichen. Die zweite war damals die Verpflichtung von Hannu Salonen. Der Regisseur, der selbst seit vielen Jahren am Bodensee lebt, hat ein ausgezeichnetes Gespür für filmische Atmosphäre, und die spielt für diese Reihe eine ganz besondere Rolle; allerdings ist sie zwischenzeitlich verloren gegangen. Salonen hatte mit seinen Beiträgen "Die Braut" und "Abgrundtief" im Jahr zuvor dafür gesorgt, dass der Schauplatz wieder eine ähnliche Bedeutung bekommt wie die beiden Hauptfiguren und ihre Fälle. Der Titel des sechsten Films nimmt vorweg, dass sich der Kreis endlich schließt: Durchgängiges Element von Berndts Drehbüchern war ein Trauma der österreichischen Kriminalinspektorin Hannah Zeiler (Nora Waldstätten), die als Kind beide Eltern bei einem Segelunfall verloren und seither eine gestörte Beziehung zum Bodensee hat. Auf diese Weise konnte der Autor nicht nur die soziale Unverträglichkeit der verschlossenen Polizistin rechtfertigen, er streute auch regelmäßig Hinweise ein, die einer fixen Idee Zeilers immer wieder neue Nahrung verschafften: Ihr Vater lebt noch.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Der Wiederkehrer" funktioniert zwar auch als Einzelstück, aber natürlich ist die Befriedigung viel größer, wenn man alle Episoden kennt. So wirkt diesmal beispielsweise August Schmölzer wieder mit, der schon im ersten Film als Zeilers Chef Ernst Gschwendner dabei war. Der Mentor der Inspektorin ist auch ihr Patenonkel und leitet die Ermittlungen im aktuellen Fall, weil Zeiler und ihre Kollegen von der gemeinsamen deutsch-österreichischen Dienststelle befangen sein könnten: Auf der Galgeninsel ist ein Mann erschossen worden; mit Zeilers Waffe. Er hatte sie zum Schluss des letzten Films angerufen und ihr mitgeteilt, dass ihr Vater in der Tat nicht tot sei. Einheitsleiter Komlatschek (Hary Prinz) ist überzeugt, seine Mitarbeiterin jage einem Phantom hinterher. Als sich allerdings auch ihr Partner Oberländer (Matthias Koeberlin) überzeugen lässt, dass dieses Phantom nicht nur quicklebendig ist, sondern offenbar alle beseitigt, die von seiner Existenz wissen, entwickelt sich "Der Wiederkehrer" mehr und mehr zu einem faszinierenden Krimi; erst recht, als sich rausstellt, welche Verbrechen der frühere Staatsanwalt Zeiler gemeinsam mit Gschwendner und dem Toten von der Galgeninsel einst begangen hat.
Ähnlich unnötig wie schon zuvor sind allein die Umwege, die Berndt einschlägt. Dass die Ermordung des Mannes zwischenzeitlich als Eifersuchtstat erscheint, ist nur deshalb interessant, weil Stefanie Stappenbeck die Mordverdächtige spielt: Das Opfer war zwanzig Jahre im Gefängnis und hatte eine Briefbeziehung mit der verwitweten Sabine Reubach, die natürlich nicht ohne Grund die ganze Zeit eine auffällige Kette trägt. Der Nebenstrang mit Oberländers Familie ist schauspielerisch zwar überzeugender, aber ansonsten ähnlich überflüssig wie schon in "Abgrundtief".
Ansonsten aber war "Der Wiederkehrer" die bis dahin wohl beste Episode. Die Bildgestaltung ist vorzüglich. Salonen und seinem Kameramann Jo Molitoris ist das Kunststück gelungen, den im April 2017 entstandenen Aufnahmen jeden Anflug von Frühling auszutreiben. Die Wolkenfetzen hängen so tief, als könne man sie mit Händen greifen; selten hat ein Film so deutlich gezeigt, dass der Himmel über dem Bodensee ähnlich faszinierend sein kann wie die Landschaft. Die Albträume wiederum, in denen Zeiler wieder und wieder ihre Erinnerungen durchlebt, sind fast in Schwarzweiß gehalten. Als die Inspektorin ins Wasser geht, um sich endlich ihrem Trauma zu stellen, wirkt sie im Gegenlicht wie ein Scherenschnitt; die Bilder entsprechen somit perfekt der maskenhaften Starre, hinter der Nora Waldstätten die Emotionen der Figur verbirgt.
Beim Schwimmen erschließt sich Zeiler ein weiteres schockierendes Puzzleteil dieses Rätsels, das seit 25 Jahren ihr Leben bestimmt. Kein Wunder, dass die österreichische Schauspielerin ihre sphinxhafte Rolle hier noch ätherischer anlegt, wenn sie nicht gerade einen ihrer gorgonischen tödlichen Blicke abschießt.