"Schon jetzt erleben wir, dass sich regelmäßig fähige Frauen auf Führungspositionen außerhalb der Landeskirche bewerben", sagt die Bad Kissinger Pfarrerin und Rundfunkpredigerin Jacqueline Barraud-Volk dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es brauche daher dringend gezieltes "Headhunting", um die Talentflucht zu stoppen: "Frauen wollen gesucht und gefragt werden." Laut Barraud-Volk habe man in der bayerischen Landeskirche "kein Erkenntnisproblem" beim Thema Frauen in Führungspositionen: "Die Umsetzung hinkt." In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) säßen bei den Bewerbungsgesprächen "immer auch Vertreter der Stabsstelle Chancengerechtigkeit dabei", so die frühere Vizepräsidentin der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Die würden "intervenieren, wenn auf einen Wahlvorschlag nur Männer gesetzt werden sollten". Grundsätzlich hält es Barraud-Volk für gut, dass derzeit über das Thema Frauenförderung und Frauenquote in der bayerischen Landeskirche diskutiert wird. "Diese 'Energie in der Luft' müssen wir nutzen", sagte sie. Denn die Faktenlage sei "eben eine andere als die gefühlte, wenn man sich die Zahl der Frauen in Leitungspositionen anschaut". Es stimme auch einfach nicht, dass sich zu wenige Frauen auf solche Jobs bewerben würden. Wer vor diesem Problem "jetzt noch die Augen verschließt, dem ist nicht mehr zu helfen", sagte sie.
In ihrem eigenen Berufsleben habe sie durchaus Förderung erfahren, aber nicht struktureller Art, sondern auf persönlicher Ebene. Barraud-Volk hatte verschiedene Leitungsämter und Mandate in der EKD und VELKD inne, ein hauptamtliches Leitungsamt allerdings blieb ihr verwehrt - trotz mehrfacher Anläufe. Sie hatte sich zum Beispiel auf Dekansstellen beworben - auch bei der Suche nach einem neuen Südthüringer Regionalbischof in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hatte sie ihren Hut in den Ring geworfen.
Auch der landeskirchliche Personalchef Stefan Reimers spricht sich für eine flexible Quote bei der Besetzung von Leitungsstellen in der bayerischen Landeskirche aus. Eine starre Frauenquote von 50 Prozent halte er für "nicht sinnvoll", heißt es in einem Schreiben Reimers an die Mitglieder der Landessynode sowie die Dekaninnen und Dekane vom Mittwoch (10. Juli), das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Bei einer "absolut gesetzten" Parität müssten bei einer Stellenbesetzung "alle anderen Faktoren" wie Erfahrung, Kompetenz oder Visionen hinter dem Geschlecht zurücktreten, schreibt Reimers.
Gerade bei einer Besetzung von Führungsstellen brauche es aber die "Abwägung unterschiedlichster Perspektiven". Zudem widerspreche eine starre 50-50-Quote der "nichtbinären Perspektive", also einer Einstellung nichtbinärer Personen. Eine flexible Quote von mindestens 40 und höchstens 60 Prozent dagegen befürwortet Reimers. Denn durch den so entstehenden Korridor "von variablen 20 Prozent ergibt sich die notwendige Flexibilität", um neben der Parität der Geschlechter auch anderen Parametern "den richtigen Raum" zu geben. Dabei dürfe das Ziel einer weiteren Gleichstellung beim Erreichen der 40-Prozent-Marke allerdings nicht aufgegeben werden.
Reimers nennt in seinem Schreiben auch konkrete Zahlen. Aktuell sind etwa 28 Prozent der Dekansstellen mit Frauen besetzt. In dieser Prozentzahl sind je sechs Frauen und Männer enthalten, die sich ihre Stelle teilen. In Absoluten Zahlen stehen 56 Dekane 28 Dekaninnen gegenüber - also genau ein Drittel Frauen. Das Verhältnis entspreche aktuell nicht dem Ziel "einer gleichberechtigten Teilhabe", räumte Reimers ein. Gleichwohl sei der Frauen-Anteil bei der Besetzung von Dekansstellen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, erläuterte der landeskirchliche Personalchef. Dieses und vergangenes Jahr seien sieben Frauen und sechs Männer berufen worden. Bei den Referatsstellen im Landeskirchenamt in München seien momentan 42 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt.