Ein Taschenmesser ist heute praktisch. Damit geht es den Kräutern an den Kragen, beziehungsweise an die Blätter. Wermutwein steht auf der to-do-Liste. Ebenso wie Rosenbalsam und Salbei-Essig - die Gruppe im Roßtaler Klostergarten hat sich einiges vorgenommen. "Gartensalbei ist nicht nur reich an ätherischen Ölen, sondern auch an Gerb- und Bitterstoffen", berichtet Marion Reinhardt. Die zertifizierte Kräuterpädagogin leitet heute die Veranstaltung "Geheimnisse der Klostermedizin".
Salbei sei bereits in der Antike als Universalmedizin eingesetzt worden, fährt die 61-Jährige fort: "Er kann den Appetit anregen und hilft gegen Völlegefühl." Mit einer Gruppe Interessierter steht sie zwischen Beetreihen im Klostergarten von Roßtal (Landkreis Fürth). Dieses Eldorado von duftenden Heilkräutern hat sich einst der Benediktinermönch und Dichter Walafried Strabo (808-849) ausgedacht, dessen berühmtes Lehrgedicht "Hortulus" (Gärtchen) als Vorlage vieler mittelalterlicher Klostergärten diente. Darin beschreibt er 24 verschiedene Heilpflanzen in einer festgelegten Anordnung. Seine Idee passte ins Konzept der Benediktiner: Ordensgründer Benedikt von Nursia (480-547) hatte sich mit seinen Mitbrüdern der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung verschrieben. "Wer Salbei hat, stirbt nicht so schnell", soll man damals gesagt haben, berichtet Reinhardt.
Ein weiteres wichtiges Heilmittel im Mittelalter war der Andorn, heute kaum noch bekannt. Marion Reinhardt hebt ein Blatt der Pflanze empor, die bitterer als der silbrig-graue Wermut ist. "Die Mönche haben sich viel mit dem Thema Verdauung befasst", erklärt die studierte Kunstgeschichtlerin: "Schon früh war ihnen klar, dass Gesundheit im Darm beginnt."
Mit diesem und anderem Wissen hätten die Mönche aus dem, was in den Gärten der Klöster wuchs, natürliche Medizin gewonnen. So wurde etwa die Frauenminze bereits im Mittelalter als Mittel gegen Fieber, Magen-Darm-Probleme und Menstruationsbeschwerden eingesetzt, wird ihr doch eine krampflösende Wirkung nachgesagt.
Mit einfachen Mitteln so viel bewirken
Derweil köchelt der Wermutwein, den Marion Reinhardt bei Erschöpfung oder als Frühjahrskur zur inneren Reinigung empfiehlt, vor sich hin und die Gruppe wendet sich solange der Zubereitung des Rosenbalsams zu. Dazu werden zunächst Olivenöl, Schafwollfett und Bienenwachs gemischt und erwärmt; nach und nach gibt man Rosenwasser hinzu. "Eine einfache und effektive Methode bei entzündeten und irritierten Hautstellen", findet Marion Reinhardt.
Für das nächste Rezept schickt sie die Teilnehmer:innen noch einmal in den Klostergarten. "Wir brauchen ungefähr je eine Handvoll Salbeiblätter und etwas weniger Kerbel", ruft sie noch, bevor alle ausschwärmen. "Es fasziniert mich, dass man mit so einfachen Mitteln so viel bewirken kann", sagt Teilnehmerin Ines Urban, während sie die samtigen Salbeiblätter abschneidet und in ihren Korb legt. Schon lange habe sie sich intensiver mit Heilkräutern befassen wollen, erzählt die Lehrerin aus Nürnberg. "Einfach toll, was die Natur alles für uns bereithält." Für den Salbeiessig schneidet die 48-Jährige die Kräuter fein und gibt sie in eine Flasche. "Jetzt nur noch mit Essig übergießen und drei Wochen ziehen lassen", erklärt Kräuterpädagogin Reinhardt. Sie empfiehlt den Salbeiessig bei Verdauungsbeschwerden und zum Appetitanregen.
Reinhardt bedauert, dass das alte Kräuterwissen früherer Generationen in Vergessenheit geraten und der reiche Erfahrungsschatz verloren gegangen ist. An diesem Punkt setzt die Kräuterexpertin an. Mit speziellen Wanderungen und Workshops möchte sie Begeisterung für dieses alte Wissen wecken. Damit sich wieder mehr Menschen im Alltag die Kräfte der Natur zunutze machen können.