Künstlerin, Kommunistin, unerschütterliche Lebenspartnerin und passionierte Liebhaberin: Auch sieben Jahrzehnte nach ihrem Tod am 13. Juli 1954 scheint die mexikanische Malerin Frida Kahlo allgegenwärtig. T-Shirts, Poster und Taschen ziert das Bild der außergewöhnlichen Frau mit den markanten Augenbrauen, die gerne Schmuck und Kleidung in traditionellem indigenen Stil trug. Filme, Romane, Theaterstücke und Ausstellungen widmen sich ihrem Leben, in Deutschland war zuletzt die immersive Schau "Viva Frida Kahlo" zu sehen. Selbst Kochbücher sind nach ihr benannt und Modeschöpfer orientieren sich an ihrem Styling.
Bereits zu Lebzeiten sorgt Kahlo in der Bohème von Mexiko-Stadt für viel Gesprächsstoff, inzwischen ist sie geradezu zu einer Pop-Ikone geworden, ob in Kunst oder Feminismus. Ein schwerer Unfall prägt ihr Leben: Im Alter von 18 Jahren wird sie beim Zusammenstoß eines Busses mit einer Straßenbahn schwer verletzt, eine Stange bohrt sich durch ihren Leib und sie erleidet allein drei Brüche an der Wirbelsäule.
Im Laufe der Jahre wird sie 32 Mal operiert, immer wieder muss sie für lange Zeit im Bett liegen, starke Schmerzen ertragen, ein Metallkorsett tragen. In ihren Arbeiten sind ihr körperliches Leiden neben anderen Höhen und Tiefen ihres Lebens ihr wichtigstes Motiv. Die späten Folgen ihres Unfalls waren auch der Grund für ihren frühen Tod kurz nach ihrem 47. Geburtstag.
Zur Welt gekommen ist sie am 6. Juli 1907 als Tochter des eingewanderten deutschen Fotografen Guillermo Kahlo und der Mexikanerin Matilde Calderón im Hauptstadt-Viertel Coyoacán. Ihre Kindheit und große Teile ihres Lebens verbringt sie dort, im berühmten "Casa Azul", dem "Blauen Haus", das heute auf der Top-Liste aller Mexiko-Reisenden steht.
Rebellisch schon zur Schulzeit
Später gibt sie als Geburtsjahr immer das Jahr 1910 an - ein Verweis auf den Beginn der mexikanischen Revolution, die für sie eine große Rolle spielt. Bereits in der Schule schließt sie sich einer rebellischen Gruppe an, später unterhält sie engen Kontakt zu Exilierten wie dem sowjetischen Revolutionär Leo Trotzki und der italienischen Fotografin Tina Modotti. Ihr Partner Diego Rivera bringt sie zur Kommunistischen Partei Mexikos.
Obwohl viele die Künstlerin Kahlo als Surrealistin bezeichnen, lehnt sie selbst diese Definition ab. "Ich male nie meine Träume, ich male meine eigene Wirklichkeit", schrieb sie einmal zur Erklärung. In den meisten ihrer 150 Arbeiten stellt sie sich selbst dar. "Ich male Selbstporträts, weil ich so oft alleine bin", erklärt sie, "weil ich die Person bin, die ich am besten kenne."
Europäisch oder indigen geprägt - oder beides?
Und so schafft sie Gemälde wie "Meine Geburt", "Die gebrochene Säule" und "Die zwei Fridas". Die "beiden Fridas" erstellt sie, nachdem Rivera ihr 1939 die Scheidung ankündigt. Das doppelte Selbstporträt bringt ihre gespaltene Identität zum Ausdruck: rechts eine im europäischen Stil gekleidete Frida, links eine Frida in indigener Tracht, die trotz des Trennungsschmerzes die Liebe zu ihrem Mann vermittelt. Mit ihm teilt sie ihre enge Anbindung an mexikanische Traditionen.
Die Trennung hält nicht lange an: Bereits ein Jahr später heiraten sie erneut. Schon zuvor war ihre zehnjährige Ehe beidseitig von zahlreichen Liebschaften gezeichnet. Kahlo hat mehrere Affären, auch mit Trotzki. Rivera vergnügt sich mit Fridas Schwester Christina und vielen weiteren Frauen. "Sie können nicht zusammen und nicht getrennt leben", resümiert die französische Schriftstellerin Claire Berest, die den Frida-Kahlo-Roman "Das Leben ist ein Fest" geschrieben hat. "Sie helfen, bewundern und demütigen sich", so zitiert die Tageszeitung "El País" Berest.
"Sie helfen, bewundern und demütigen sich"
Rivera war die Koryphäe des mexikanischen Muralismus, auf zahlreichen Mauern prangen seine Wandgemälde - auch im Regierungspalast in Mexiko-Stadt, wo er klassenkämpferisch die Geschichte des Landes nachzeichnet. Das Paar lebt auch mehrere Jahre in den USA. Zunächst im Schatten ihres Partners stehend, emanzipiert Kahlo sich und präsentiert ihre Werke schließlich in den großen Ausstellungshäusern von New York, Paris und Boston.
Heute sind ihre Werke weltweit zu sehen. "Meine Geburt" befindet sich in der Kunstsammlung der Sängerin Madonna. Die US-Künstlerin sorgte jüngst für Aufsehen, weil sie Fotos auf Instagram stellte, in denen sie Blusen, Schuhe, Ringe und Fotografien aus dem Besitz von Kahlo zur Schau stellte. "Schlimm, dass du die mexikanische Kultur so ausnutzt", reagierte ein Follower und brachte damit die symbolische Kraft zum Ausdruck, die Kahlo noch immer in der mexikanischen Gesellschaft besitzt.
Doch die popkulturelle Vermarktung Kahlos geht viel weiter. So widmete die Modemarke Dior ihre Kollektion "Cruise 2024" dem Stil der mexikanischen Künstlerin: mit Schmetterlingen bestickte Sweater für 2.300 Euro, Taschen für 3.000 Euro. Auch Kahlos zeitweise androgynes, binäres Auftreten - manchmal trug sie männliche Kleidung und immer wieder zeigte sie sich mit einem Oberlippenflaum - bietet Stoff für popkulturelle Interpretationen.
Was sie wohl selbst dazu gesagt hätte? "Frida hätte über die aktuelle Frida-Manie sehr gelacht", ist Roman-Autorin Berest überzeugt: "Sie hätte gesagt: Ihr seid verrückt."