Der vierzigste Beitrag zur mittlerweile eingestellten ZDF-"Herzkino"-Reihe "Katie Fforde" erzählt gleich mehrere Geschichten, die alle ein unterschiedliches Vorzeichen haben; deshalb ist "Für immer Mama" gleichermaßen Romanze, Drama und Komödie. Der Titel legt zwar eine typische "Nesthocker"-Handlung nahe, doch der Kern ist ein ganz anderer: Vor gut zwei Jahrzehnten hat Helen Carter (Rebecca Immanuel) ein Jahr vor dem Abschluss ihr Medizinstudium abbrechen müssen, weil sie schwanger geworden ist; der Kindsvater hat sich damals aus dem Staub gemacht. Nun ist Sohn Louis (Jascha Baum) aus dem Haus, und Helen möchte endlich ihren Lebenstraum verwirklichen und Ärztin werden.
Kaum hat sie die Aufnahmeprüfung in Boston bestanden, um das letzte Studienjahr nachzuholen, kehrt Louis mit gebrochenem Sprunggelenk ins mütterliche Nest zurück. Zwei weitere Tatsachen verschweigt er allerdings: Sein Biologiestudium hat er längst abgebrochen; und Freundin Sarah (Charleen Deetz) erwartet ein Baby. Als Helen das durch Zufall rausfindet, ist sie schockiert: Louis verhält sich genauso wie sein Vater.
Geschickt verknüpft das Drehbuch (Elke Rössler) diese beiden Ebenen mit einer zwar sympathisch eingeführten Liebesgeschichte: Auf dem Weg zum Bahnhof hat Helen im Taxi ihre Tasche vergessen. Taxifahrer Marc (Alexander Wipprecht) handelt als "Finderlohn" eine Einladung zum Italiener aus. Aus dem Essen wird ein Abend zu dritt; später entdecken Marc und Louis überraschende Gemeinsamkeiten. Der Taxifahrer, der außerdem Barkeeper und Poetry-Slammer ist, schlüpft bereitwillig in die Rolle des Ersatzvaters. Dass er zudem vorübergehend bei den Carters einzieht, geht Helen zwar etwas zu weit, aber das Leben zu dritt funktioniert prima; bis sie entdeckt, dass Marc offenbar auch nicht besser ist als der Erzeuger ihres Sohnes.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Regisseur Helmut Metzger ist grob geschätzt für etwa die Hälfte der vierzig "Katie Forde"-Filme verantwortlich; eine gewisse Routine bleibt da nicht aus. Auch "Für immer Mama" hat Bilder zu bieten, die sich prächtig als großformatiges Foto im Flur machen würden; mit Kameramann Meinolf Schmitz hat Metzger rund ein Dutzend der an der amerikanischen Ostküste entstandenen Filme gedreht. Noch schöner als die verschiedenen Sonnenuntergänge ist allerdings eine Aufnahme von Helen, als Marc in der Bar eine gedichtete Liebeserklärung zum Besten gibt; in diesem Augenblick scheint sich auch die Kamera in Rebecca Immanuel zu verlieben.
Anders als bei vielen anderen "Herzkino"-Produktionen vermeidet der Regisseur diesmal jene Schablonenhaftigkeit, wie sie für diesen Sendeplatz oft so typisch ist. Außerdem verdient sich das romantische Drama auch dank der mitunter recht flotten Dialoge fast das Prädikat temporeich, sodass der Film auch für ein jüngeres Publikum durchaus ansehbar ist. Die große Stärke des romantischen Dramas, mit dem das ZDF 2020 zehn Jahre "Katie Fforde" gefeiert hat, ist jedoch Metzgers Arbeit mit dem Ensemble. Die männlichen Figuren und somit auch ihre Darsteller kommen im "Herzkino" oft etwas kurz, aber sowohl Jascha Baum wie auch Alexander Wipprecht sind sehr markante Typen, denen Buch und Regie zudem genug Raum zur Entfaltung geben.
Rebecca Immanuel ist ohnehin stets sehenswert, selbst wenn ihr die Lektüre des Drehbuchs womöglich wie ein Déjà-vu vorgekommen ist: Die Hauptfigur erinnert stark an die Heldin, die sie bis 2019 in der ARD-Freitagsfilmreihe "Die Eifelpraxis" verkörpert hat. Die dortige Heldin Vera Mundt, Versorgungsassistentin eines Provinzarztes, würde ebenfalls eine ausgezeichnete Ärztin abgeben und sich in der Konfrontation mit dem blasierten Professor an der Uni vermutlich ganz genauso wie Helen verhalten: Benjamin Letztler (Olive Sauer) schikaniert die in die Jahre gekommene Studentin, wo er nur kann, weil sie seiner Meinung nach jüngeren Studierenden den Platz wegnimmt. Als rauskommt, dass Helen Patienten ohne Krankenversicherung verschreibungspflichtige Medikamente überlassen hat, findet Letztler endlich einen Vorwand, um sie zu suspendieren. Der Traum von der eigenen Landarztpraxis geplatzt, dazu der Krach mit Marc: Plötzlich geht alles schief.
Und dann entwickelt sich auch noch Louis’ Vaterschaft in keine gute Richtung: Endlich hat sich der junge Mann dazu durchgerungen, zu seiner Verantwortung zu stehen, da erfährt er, dass Sarah das Baby abtreiben lassen will. Dass schließlich trotzdem alles gut wird, versteht sich von selbst, aber wie Rössler und Metzger das Happy End einfädeln, ist witzig und originell.