Fachwerkhäuser in den USA
epd-bild/Mirjam Ruescher
Das "Cheese Haus" in Frankenmuth in der Nähe von Detroit in den USA.
Klein "Bayern" in den USA
Die Idee eines ev.-lutherischen Theologen
Alles begann mit einem evangelisch-lutherischen Theologen. Obwohl Wilhelm Löhe nie nach Amerika gereist ist der Diakonie-Pionier der Grund, warum heute ein Stück Bayern im US-Bundesstaat Michigan existiert. Von ausgesiedelten Deutschen erhielt er Briefe, in denen sie den fränkischen Pfarrer um Hilfe baten, ihren Glauben auf Deutsch zu leben. Löhe beschloss, dort eine Gemeinde zu gründen.

Blau-weiße Fahnen, Fachwerk-Imitat, Zwiebeltürme, Geranien in Kübeln, Holzvertäfelungen - überall findet man in Frankenmuth den rustikalen Alpenstil. Auch sprachlich könnte man meinen, in einem Dorf in Bayern zu sein. Der Schriftzug "Willkommen" empfängt Besucher am Flussufer. Überall sind deutsche Wörter wie "Danke schön", "Prost" oder "Haus" zu sehen. Bis heute wird das deutsch-fränkische Erbe von den Einwohnern der Stadt hochgehalten. Dabei liegt die US-amerikanische Stadt nur anderthalb Autostunden von Detroit entfernt.

Frankenmuths Geschichte beginnt mit Wilhelm Löhe (1808-1872). Der einflussreiche evangelisch-lutherische Theologe und Diakonie-Pionier ist nie nach Amerika gereist. Löhe ist aber trotzdem der Grund, warum heute ein Stück Bayern im US-Bundesstaat Michigan existiert. Von ausgesiedelten Deutschen erhielt er Briefe, in denen sie den fränkischen Pfarrer um Hilfe baten, ihren Glauben auf Deutsch zu leben. Löhe beschloss, dort eine Gemeinde zu gründen - in der Nähe amerikanischer Ureinwohner, um zu missionieren. "Der ursprüngliche Name war daher auch Missionsgemeinde Frankenmuth", erzählt Daniel Haubenstricker, Vorsitzender des Heimatausschusses der Kirchengemeinde St. Lorenz.

Löhe schickte den Pfarrer August Crämer aus Unterfranken gemeinsam mit 14 weiteren Menschen - vor allem Bauern - auf die Reise nach Amerika. Am 5. April 1845 startete die Gruppe in Nürnberg. Zu Fuß, per Wagen und Bahn ging es weiter nach Bremerhaven. Dort gingen sie am 20. April an Bord der "Caroline". Eine Reise mit vielen Hürden begann: Der betrunkene Kapitän steuerte das Schiff auf eine Sandbank in der Weser. Dann mussten sie aufgrund von Wind und Sturm um Schottland herum segeln, anstatt durch den Ärmelkanal zu fahren. Sie stießen auf Eisberge und dichte Nebel, das Schiff war überfrachtet, die Lebensmittel wurden schlecht. Nach 50 qualvollen Tagen auf See erreichten die Siedler New York. Nach weiteren Schiffsfahrten und einer Zugreise - bei der es eine Kollision mit einem anderen Zug gab - erreichte die Gruppe schließlich Michigan - den Bundesstaat, der an die großen Seen im Norden der USA grenzt.

Vier Monate nach ihrer Abreise in Bremerhaven nach einem Fußmarsch von zwölf Meilen durch Wald und Sumpf gelangten sie schließlich mit voll beladenen Ochsenkarren in ihre neue Heimat, die die Siedler an ihre alte Heimat erinnerte. Eine leicht hügelige, grüne Landschaft mit Fluss. In einem Blockhaus, das bis Weihnachten errichtete wurde, fanden Wohnungen, Schule und die erste St.-Lorenz-Kirche Platz. Nur wenige Meter neben der ursprünglichen Stelle wurde 1880 der heutige Kirchbau errichtet, 1965 kam ein weiterer Anbau hinzu. Bis heute finden in der Kirche regelmäßig deutsche Gottesdienste statt und aufwendig gestaltete bunte Glasfenster erzählen die Geschichte der Entstehung von Frankenmuth. 

Das Dorf entwickelte sich so gut, dass Pfarrer Löhe weitere Siedler entsandte, um Gemeinden zu gründen. Frankentrost, Frankenlust und Frankenhilf hießen die Städte, die nur wenige Meilen von Frankenmuth entfernt entstanden. Frankenhilf musste aber umbenannt werden. Das Postamt fand die vielen "Frankens" verwirrend. Heute heißt der Ort "Richville", berichtet Heidi Chapman, Leiterin des kleinen Museums in Frankenmuth. Sie ist selbst eine Nachfahrin der Siedler, die 1847 Frankentrost gegründet haben. "Es sollte auch noch eine weitere Gemeinde geben, aber die Siedler sind aus Versehen in Illinois statt in Michigan gelandet und haben dann dort eine Gemeinde gegründet", erzählt Chapman weiter.

Es ist ihr ein Anliegen, die Geschichte von Frankenmuth zu erhalten und weiterzuerzählen. Seit neun Jahren arbeitet sie im Museum, hat sich zur Leiterin hochgearbeitet. "Ich liebe es", sagt sie. Das Museum wurde gerade umgebaut. Es erzählt in liebevoll gestalteten Räumen die Geschichte von Frankenmuth. Früher lebte die Stadt vor allem von Durchreisenden, aber mit dem Bau der Interstate fünf Meilen entfernt, kamen kaum noch Besucher. Ein Restaurantbesitzer wollte mit dem deutsch-fränkischen Erbe Werbung machen. Er gestaltete sein Haus als Erstes im bayerischen Stil um, viele andere folgten ihm.

Über drei Millionen Besucher jährlich

"In den 50er Jahren, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, war das riskant. Aber es hat funktioniert und seither hat es sich immer weiter entwickelt", erzählt der Heimatausschussvorsitzende Haubenstricker. Er ist einer der wenigen, der hier noch Deutsch spricht - mit englischem Akzent und fränkischem Dialekt. Seine Familie kam vor vielen Generationen aus Franken in die USA. So wie die ersten deutschen Siedler, wenn auch nicht so abenteuerlich. Heute ist das Städtchen vor allem eine Touristenattraktion. Etwa drei Millionen Besucher kommen jährlich. Die Stadt nennt sich selbst "Michigans kleines Bayern".

"Ja, es ist etwas übertrieben. Aber, ich sehe das nicht so eng. Mir gefällt es", sagt Eva Horner. Sie ist gebürtige Fränkin, lebt aber seit den 60er Jahren in den USA und seit zwei Jahren in Frankenmuth. Für sie ist es ein Stück amerikanisiertes Deutschland. Zum Schluss hat es Gründungsvater und Pfarrer Wilhelm Löhe dann doch irgendwie geschafft: Am Eingang des Museums begrüßt sein virtuelles Alter Ego die Besucher und nimmt sie mit auf die Reise von Bayern bis nach Frankenmuth.