Als Manfred Sorg 1996 an die Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen rückte, stand die viertgrößte Landeskirche in Deutschland vor enormen Herausforderungen: Die Kirchenmitglieder wurden weniger, die Einnahmen gingen zurück und kirchliche Traditionen waren immer weniger selbstverständlich. In dieser Situation brachte der Theologe unter der Überschrift "Kirche mit Zukunft" weitreichende Strukturreformen auf den Weg. Von 1996 bis 2004 war er leitender Theologe der Landeskirche. In der Nacht zum 3. Juli starb er im Alter von 85 Jahren.
"Manfred Sorg hat als Präses die Zeichen der Zeit wie nur wenige erkannt und entschlossen notwendige und überfällige Reformen der Kirche vorangetrieben", erklärte der Theologische Vizepräsident der westfälischen Kirche, Ulf Schlüter, am Donnerstag. "Vom Bildungsauftrag der Kirche her denkend, fragte er dabei jenseits vorhandener Strukturen und institutioneller Traditionen vor allem nach dem, was die Kirche künftig tun und wofür sie stehen muss."
Mit der Kampagne "Ohne uns sieht eure Kirche alt aus" warb Sorg bereits früh für eine bessere Beteiligung von jungen Menschen in der Kirche. 17 Ämter und Werke wurden in seiner Amtszeit zu sieben Einrichtungen zusammengelegt, der Zugang zum Vikariat wurde durch strenge Auswahl begrenzt. Auch wenn das schmerzlich gewesen sei, habe es zu manchen harten Entscheidungen keine Alternative gegeben, sagte er einmal zum Ende seines Wirkens. Unter Sorgs Leitung entstanden auch innerkirchliche Kontaktbörsen wie der Presbyter-Tag oder der Tag der gemeinsamen Dienste.
Vor seiner Wahl zum Präses wirkte Sorg, der mit einer Lehrerin verheiratet war, acht Jahre lang als Direktor des Pädagogischen Instituts der westfälischen Kirche - der Bildung galt seine Leidenschaft. Unter seiner Verantwortung entstand in Gelsenkirchen eine evangelische Gesamtschule, die später für den Deutschen Schulpreis nominiert wurde. Ein wichtiges Thema waren für den Theologen auch der interreligiöse Austausch und die Verwurzelung des christlichen Glaubens in der jüdischen Tradition: "Gott hat sein Volk nie verstoßen."
Der am 25. Oktober 1938 in Darmstadt geborene Theologe wurde maßgeblich durch das Ruhrgebiet geprägt, wo er aufwuchs und in den 70er und 80er Jahren arbeitete. Als typischer Pütt-Pfarrer stand er bei Hüttenschließungen in Hattingen mit in der Mahnwache. Sorg studierte Theologie in Wuppertal, Mainz und Münster, machte sein Vikariat in Bochum und wurde dann Gemeindepfarrer in Hattingen. 1985 wurde er Dozent und später Direktor des Pädagogischen Instituts, bevor ihn die westfälische Landessynode im November 1995 zum Präses wählte.
Als Auftrag der Kirche sah Sorg auch, sich für die Behandlung psychisch kranker Straftäter einzusetzen. Er war 1977 Mitgründer des Initiativkreises "Sicherheit durch Therapie", die sich für eine qualifizierte Therapie in der Forensik einsetzt. "Wir haben versucht, die Vorurteile der Menschen, aber auch die begründeten Ängste wahrzunehmen und sie ein bisschen abzubauen", sagte Sorg einmal rückblickend. Bündnisse mit der Politik und anderen Gruppen der Gesellschaft zu bilden, war Sorg in seiner Amtszeit von 1996 bis 2004 ein zentrales Anliegen.