Noch dazu dessen Hauptrollen von kaum bekannten Nachwuchsschauspielern verkörpert werden und der Film zudem 270 Minuten dauert? Weil das europäische Fernsehen mit "Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe" zeigt, wozu es fähig ist; weil die Handlung viele Rückschlüsse zur heutigen Verquickung von Politik und Wirtschaft zulässt; weil der Dreiteiler eine große Liebesgeschichte erzählt, obwohl es bis zur ersten Begegnung des Liebespaars knapp 180 Minuten dauert; weil die Darsteller keine Weltstars sein mögen, aber sehenswerter sind als viele Hollywoodgesichter; und weil der Film auf eine kunstvolle Weise fotografiert ist, die höchsten Maßstäben gerecht wird.
Außerdem bürgen die beiden wichtigsten Verantwortlichen für herausragende Qualität: Das deutschsprachige Fernsehen hat den Österreichern Martin Ambrosch (Buch) und Andreas Prochaska (Regie) mit "Spuren des Bösen" eine der besten Krimireihen zu verdanken. Dass das Duo in der Lage ist, historischen Stoffen überraschende Seiten abzugewinnen, hat es mit "Das Attentat - Sarajevo 1914" (2014) bewiesen, als es die Geschichte der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers als Politthriller im Stil von Oliver Stones Kennedy-Drama "JFK" erzählte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Damit erst gar keine Zweifel aufkommen, worum es bei "Maximilian" geht, trägt der Dreiteiler den Zusatz "Das Spiel von Macht und Liebe". Das ist als Signal zwar etwas schlicht, aber nicht verkehrt, schließlich dreht sich die gesamte Handlung um das europäische "Game of Thrones": Jahrhunderte lang verheirateten die Herrscher ihre Kinder untereinander, um auf diese Weise Allianzen zu schließen; eine frühe Form von "Make love, not war". Eigentlich müsste der Titel jedoch "Maximilian und Maria" lauten: Maria von Burgund (gespielt von der Französin Christa Théret), Tochter von Karl dem Kühnen, ist nach dessen Tod 1477 die mächtigste Frau in Europa, doch sie hat ein Problem, und das ist ihr Geschlecht. Gent ist das Zentrum des europäischen Tuchhandels, Burgund ist entsprechend reich; aber das Herzogtum ist ein französisches Lehen und darf nur von einem Mann regiert werden.
Zur gleichen Zeit muss der Habsburger Friedrich III. (Tobias Moretti), bettelarmer Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, im fernen Wien machtlos mit ansehen, wie die Ungarn immer öfter ins Land einfallen. Aus seiner Sicht gibt es nur eine Chance, das Reich zu retten: Sein Sohn Maximilian (Jannis Niewöhner) muss Maria heiraten.
Auch wenn man das damals noch nicht so nannte: Es wäre eine "Win-Win"-Situation. Maria, vom eigenen Rat praktisch entmachtet, wäre weiterhin Herrscherin über Burgund, und Maximilian könnte seinen Vater mit dem dringend benötigten Geld für Truppen versorgen. Die beiden sind zwar viel zu stolz, um eine arrangierte Vernunftehe einzugehen, doch die Vorzeichen ändern sich, als der angeschlagene französische König Ludwig XI. (Jean-Hugues Anglade), Friedrichs großer Kontrahent, Maria als Gattin für seinen Sohn auserwählt. Der Dauphin ist noch ein Kind, aber wen stört das schon; die Ratsherren von Burgund (repräsentiert von Sebastian Blomberg) am allerwenigsten, schließlich hoffen sie, durch die Allianz mit Ludwig noch reicher zu werden.
Adolf von Egmond (Fritz Karl), der hinterhältige Herzog von Geldern, hat darüber hinaus ein ganz persönliches Interesse an Maria, was ihm aber nicht gut bekommt. Als nicht ganz uneigennütziger Mittler zwischen den Welten fungiert der reiche Kaufmann Fugger (Martin Wuttke) aus Augsburg, der schließlich Maximilians Krieg gegen die Franzosen finanziert.
Diese Geschichte ist es fraglos wert, erzählt zu werden, zumal sich die Frage, was das alles mit uns zu tun hat, rasch erübrigt. Ambrosch und Prochaska haben die Handlung zwar nicht als Allegorie auf die Gegenwart konzipiert, weshalb sich die Parallelen eher implizit ergeben; dennoch lässt sich "Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe" dank des strategischen Kalküls der Herrschenden als Spiegel der heutigen Weltpolitik betrachten. Abgesehen davon dürften sich viele Frauen in führenden Positionen in der von Intriganten umzingelten Maria wiedererkennen, die ihre Herzogin als moderne Figur mit einer sehr sympathischen subtilen Ironie versieht.
Ein Ereignis ist der Dreiteiler jedoch wegen der Umsetzung. Schon der Vorspann und die wuchtige Musik (Matthias Weber) signalisieren großes Fernsehen. Auch die Bildgestaltung ist ein Genuss. Kameramann Thomas Kiennast hat allem Anschein nach auf künstliche Lichtquellen verzichtet. Diese Ästhetik lässt viele Aufnahmen wie Gemälde wirken und verleiht dem Film eine ganz spezielle Atmosphäre. Die Innenaufnahmen wirken dank Fackeln oder Kerzenlicht beinahe heimelig. Die Außenaufnahmen gerade im Morgengrauen oder bei Nebel sind zwar ähnlich kunstvoll, aber auch in jeder Hinsicht düster. Beides korrespondiert perfekt mit dem Schicksal der Habsburger: Friedrich verschanzt sich in seiner Burg, weil er draußen um sein Leben fürchten muss.
Als Maximilian heimlich zur Jagd geht, entkommt er prompt nur knapp einem Überfall der "Schwarzen Armee" des ungarischen Königs (Mark Zak). Letztlich ist es die sture Haltung des Kaisers, der die Angriffe von außen aussitzen will, die den Thronfolger dazu bewegt, nach Gent zu reisen; und ein Brief von Maria.
Die Herzogin hält die Habsburger allerdings für "stinkende Barbaren", weshalb ihre Vertraute, Johanna von Hallewyn (Miriam Fussenegger), erst mal an dem potenziellen Gemahl schnuppern soll, bevor sie ihm das Dokument überreicht. Auf halbem Weg nach Gent wird der junge Mann kurz vor Köln vom Fieber erfasst. Der Pestverdacht ist ein cleverer Schachzug, um die Spannung zu erhöhen und eine zweite Romanze einzuleiten: Die Kölner lassen den genesenen Thronfolger nicht ziehen, bevor er nicht die Zeche bezahlt, die seine Söldner geprellt haben.
Weil die Zeit jedoch drängt, soll sein bester Freund, Wolfgang von Polheim (Stefan Pohl), stellvertretend die Herzogin ehelichen. Unterwegs verliebt er sich in die allerdings verheiratete Johanna, was seinen Herrn später in das Dilemma stürzt, zwischen Staatsräson und Freundschaft abwägen zu müssen. Maximilian lernt, dass ein Kämpferherz zum Herrschen nicht genügt; von seinen Tischmanieren ganz zu schweigen. Niewöhner verkörpert den Titelhelden mit finsterer Entschlossenheit als klassischen Ritter ohne Furcht und Tadel, sorgt aber auch für die nötigen Zwischentöne, die nachvollziehen lassen, warum sich Maria in ihn verliebt. 3sat zeigt alle drei Folgen hintereinander.