Getty Images/iStockphoto/vicnt
Samstag, 21. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Friesland: Sturmmöwen"
Ein bekannter Krimiautor wird ermordet. Was haben die Mitglieder des Vereins "Knüllenkieker" und ihre politischen Ambitionen damit zu tun? Das Ermittlerduo Cassens und Özlügül geht den Spuren nach.

Friesenkrimis gibt’s wie Sand am Meer; die Kunst besteht darin, eine Marke zu schaffen. Das ist dem ZDF mit "Friesland" fraglos gelungen, immerhin hält sich die Reihe nun schon seit zehn Jahren, und das, obwohl die Konkurrenz der Küstenkrimis achtbar ist; "Morden im Norden" hat mittlerweile eine lange Tradition im Fernsehen.

Die Markendevise stammt aus Episode Nummer 21 und enthält daher eine Prise Selbstironie, auch wenn sich der Satz auf einen Schriftsteller bezieht: Finn Onneken ist der Krimi-Star der Region, sogar Hauptkommissar Brockhorst zählt zu seinen Fans. Die Premiere des jüngsten Buchs muss allerdings verschoben werden, denn der Autor ist in einen Zustand versetzt worden, der mit unpässlich nur äußerst unzureichend beschrieben ist.

Der Arbeitstitel dieser Geschichte von Susanne Wagner und Hagen Moscherosch lautete "Knüllenkieker" - aber das war dem ZDF wohl doch zu plattdeutsch, also wählte man die hochdeutsche Übersetzung "Sturmmöwen". "Knüllenkieker" ist auch der Name eines Vereins, der sich der Pflege des Brauchtums verschrieben hat. Wer was gelten will, tut alles, um Mitglied dieses elitären Zirkels zu werden, doch das geht nur mit entsprechender Fürsprache.

Dieser Teil der Geschichte ist mindestens so interessant wie die Mördersuche. Der besondere Reiz von Provinzkrimis liegt ja ohnehin in der Berücksichtigung regionaler Eigenarten; das ist dem Drehbuchduo Wagner/Moscherosch bereits mit der sehr amüsanten und angenehm rätselhaften "Friesland"-Folge "Landfluchten" (Episode Nummer 18) ausgezeichnet gelungen.

Damals ging es um Tourismus und die Anzahl von Ferienhäusern - ein Thema, das sicher auch die "Knüllenkieker" umgetrieben hat. Das Bündnis kommt ins Spiel, weil Onneken nicht bloß Mitglied war, sondern Ambitionen hatte: Da sich in der Politik mehr bewegen lässt als auf Vereinsebene, wollte er die Gruppierung in eine Partei umwandeln. Weil dies den erheblichen Missfallen des langjährigen Vorsitzenden erregte, zumal der Autor ihn gleich mit absägen wollte, ist es zu einem heftigen Disput gekommen.

Dass Klaas Eickhoff (Hannes Hellmann) daher hochgradig verdächtig ist, versteht sich von selbst, außerdem war er zur mutmaßlichen Tatzeit am Tatort: Der Autor hatte einen exakten Vormittagsplan und pflegte stets zur gleichen Zeit nach dem Joggen die Gartensauna zu nutzen. Am Morgen seines Todes hat jemand die Tür verkeilt, sodass sich der Aufenthalt in eine tödliche Länge gezogen hat; einige Bemerkungen rund um diese perfide Mordmethode sind recht makaber.

Natürlich hat "Sturmmöwen" noch weitere Verdächtige zu bieten, zumal Apothekerin Harms (Tina Pfurr) in Vertretung ihrer Chefin mit Hilfe eines Experiments, bei dem ein Schweineschinken eine wesentliche Rolle spielt, einige Alibis pulverisiert. Da wäre zum Beispiel ein Bootsbauer, der immer noch auf seinen Lohn wartet. Der Mann gerät sogar als Erster ins Visier von Henk Cassens und Süher Özlügül (Maxim Mehmet, Sophie Dal), denn der Krimi beginnt mit dem Kentern von Onnekens Yacht: Sie ist fachmännisch manipuliert worden.

Opfer dieses Anschlags wäre jedoch nicht Onneken, sondern sein Ehemann (Timo Mewes) geworden; das uniformierte Duo findet ihn nach einem Sturm besinnungslos, aber lebendig am Strand. Als sich die beiden ein bisschen tiefer in die Vergangenheit der verschiedenen Verdächtigen wühlen, stellt sich allerdings raus, dass Eickhoff einen viel älteren und ungleich schwerwiegenderen Grund hätte, dem Autor die Pest an den Hals zu wünschen.

Eine weitere reizvolle Figur ist eine abgestürzte Skandaljournalistin (Marie Burchard), die allen Grund hat, sauer auf Onneken zu sein und sich unverblümt an Cassens ranmacht; sie hätte durchaus das Potenzial, sich als Ensemblemitglied zu etablieren. Und dann ist da noch eine mysteriöse Frau (Tinka Fürst), die wie ein düsterer Racheengel durch die Handlung huscht. Endgültig mysteriös wird der Fall durch eine Botschaft im Kondolenzbuch: "Mit fremden Federn kann man nicht fliegen."

"Sturmmöwen" ist aber nicht nur wegen der facettenreichen Geschichte, sondern auch wegen der Umsetzung sehenswert. Alexander Costea (Regie) und Eugen Gritschneder (Bildgestaltung) haben bereits bei "Sterneduell" (Nummer 20) bewiesen, wie gut sie ihr Handwerk beherrschen. Als Brockhorst (Felix Vörtler) erkennt, welches Geheimnis Onneken und sein Partner hüten, gerät nicht nur sein Weltbild, sondern auch die Kamera ins Wanken. Für kleine Freuden sorgen neben den Dialogen Momente wie jene, als der Kommissar geradezu ehrfürchtig den Schreibtischstuhl des bewunderten Autors berührt.