Ehepaar Nassar 2016
epd-bild/Debbie Hill
Das evangelisch-palästinensische Ehepaar Nassar verteidigt seit mehr als 30 Jahren sein 42 Hektar großes Land vor der israelischen Besiedlung (Archivbild).
Friedensprojekt in Bethlehem
Christ-Sein unter israelischer Besatzung
Das evangelisch-palästinensische Ehepaar Nassar ist der Einladung des Zentrums Oekumene der des Zentrums Oekumene, der EKN und EKKW, der Mennonitengemeinde Frankfurt am Main und der evangelischen Akademie nach Deutschland gefolgt, um ihr Friedensprojekt "Tent of Nations/Zelt der Völker" in Bethlehem vorzustellen. Mit evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone spricht Pfarrer Andreas Goetze vom Zentrum Oekumene über die Wichtigkeit des gewaltfreien Dialogs.

evangelisch.de: Das "Tent of Nations/ Zelt der Völker" (ToN) ist ein Friedensprojekt des Ehepaars Nassar, bei dem auf ihrer Farm bei Bethlehem eine internationale Jugendbegegnungsstätte aufgebaut wurde. Nun sind die beiden evangelisch-lutherischen Christen der Einladung des Zentrums Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), der Mennonitengemeinde Frankfurt am Main und der evangelischen Akademie Hofgeismar gefolgt, um hier in Deutschland ihr Projekt vorzustellen und die aktuelle Lage in der Nähe von Bethlehem zu erläutern. Wie ist es zur Einladung gekommen? Verfolgen Sie als Referent für den interreligiösen Dialog das Friedensprojekt seit langem? 

Andreas Goetze: Ich bin mehr als 30 Jahre freundschaftlich mit der Familie Nassar und dem "Tent of Nations" verbunden. Wir haben uns 1992 kennengelernt durch einen Besuch in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bethlehem. Wir sind seitdem befreundet. Jedes Jahr habe ich die Familie mit Reisegruppen besucht und von ihrem Wirken und dem Einsatz der aus aller Welt kommenden Freiwilligen einen Eindruck gewonnen.

Wir erleben in Deutschland gerade eine Art von Militarisierung, an vielen Orten der Welt herrscht Krieg, ein respektvoller Diskurs scheint nicht möglich zu sein. Das Ehepaar Nassar schützt seit mehr als 30 Jahren sein 42 Hektar großes Land, auf dem das Projekt verwirklich wurde, vor der israelischen Besiedlung, indem es gewaltfrei seine Rechte einfordert und vor Gericht zieht. Was können wir von dem Ehepaar lernen? 

Pfarrer Andreas Goetze vom Zentrum Oekumene unterstütz seit langem das Ehepaar Nasar in Bethlehem.

Goetze: Trotz all der jahrzehntelangen Übergriffe durch jüdisch-israelische Siedler, die unter dem Schutz der israelischen Soldaten sowie der Militärverwaltung agieren, haben sie ihre Hoffnung und ihren Glaubensmut nicht verloren. Auch wenn ihre Lage immer bedrohlicher wird. Sie haben nie aufgegeben und kämpfen gewaltfrei für ihr Land. Ich bin gewiss, dass das Lebensmotto der Nassars "Wir weigern uns, Feinde zu sein" über alle Grenzen hinweg strahlt.

"Sie zeigen, wenn man zusammenhält, sich nicht vom Hass bestimmen lässt, (...) dass man ein Stück weit die Welt verändern kann."

Ich bin sehr berührt von ihrer Weise, nicht aufzugeben, trotz schwierigster Umstände. Sie zeigen, wenn man zusammenhält, sich nicht vom Hass bestimmen lässt, sondern alles umwandelt in positive, kreative Arbeit, dass man ein Stück weit die Welt verändern kann. Von ihrem gewaltfreien Dialog sind andere gleichfalls beeindruckt, denn nachdem wieder einmal Bäume und Weinreben zerstört worden waren, sind auch Jüdinnen und Juden aus Israel und dem Ausland gekommen, um bei den Neubepflanzungen zu helfen. Wir sollten mehr Reklame machen, wie wir Frieden lernen, miteinander!  

Wie wichtig ist der interreligiöse Dialog in Deutschland gerade in heutiger Zeit?

Goetze: Die Visite der Nassars ist ein gutes Zeichen, sie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, aus dem Schwarz-Weiß-Denken herauszukommen. Raus aus den "Schwarz-Weiß-Mustern" heißt für mich, die verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen, zuzuhören. Empathie ist für mich ein intellektueller Akt, keine Gefühlsäußerung. Es ist eine Haltung, die in dem oder der anderen ein menschliches Wesen sieht und sich weigert, die Welt einfach in Gut und Böse einzuteilen.

Stimmen der Christinnen und Christen aus der Region vernehmbar zu machen, ist mir ein Anliegen. Sie könnten einen wichtigen Beitrag dazu leisten, neue Friedensperspektiven zu gewinnen, werden aber oft als Akteure nicht wahrgenommen. Nur durch Begegnungen wie diese können Vorurteile abgebaut werden, nur so gewinnen wir Respekt und Wertschätzung anderen gegenüber. Nur so können wir lernen, andere Perspektiven aufzunehmen und aus den "Schwarz-Weiß-Mustern" herauszukommen.  Der interreligiöse und interkulturelle Dialog ist so entscheidend für den gesellschaftlichen Frieden. Gegen Ausgrenzung, gegen Rassismus, gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit, gerade auch in Konfliktlagen!

Alle Informationen über die Veranstaltungen und Begegnungen vom 14. bis 16. Juni 2024 finden Sie hier.