Und wenn sie doch nach Mindestlohn bezahlt würden, reiche der nicht zum Leben. "In den meisten Produktionsländern wie Vietnam, Kambodscha, Bangladesch oder Pakistan müsste der Mindestlohn drei- oder viermal höher liegen, um existenzsichernd zu sein."
Auch müssten die Frauen - gerade in Zeiten mit Großaufträgen - im Akkord arbeiten. "Sie müssen also eine Stückzahl pro Arbeitstag fertigstellen, die eigentlich nicht zu schaffen ist", erläuterte Mulder. Überstunden würden in der Regel nicht bezahlt.
Unternehmen wie Adidas, offizieller Sponsor der Europameisterschaft, kontrollieren laut kritischen Organisationen wie Femnet vor allem die direkten Zulieferer auf angemessene Arbeitsbedingungen und Umweltstandards. "Aber die textile Lieferkette beginnt ja bei einem Baumwoll-T-Shirt auf dem Baumwollfeld oder bei Polyester bei der Erdölförderung", gab Mulder zu bedenken. Es fänden sehr viele Stationen in vielen Ländern statt. "Je weiter hinten in der Kette, desto schwieriger der Zugriff, aber es gibt faire Labels, die bekommen es hin, ihre ganze Lieferkette zu kontrollieren."
Große Unternehmen müssten dies der Expertin zufolge erst recht können, wenn sie es wollten. "Wer den Auftrag und das Geld vergibt, kann Anforderungen stellen." Auf die Produktionskosten würde sich das laut Mulder kaum auswirken. Schließlich lägen die bei den offiziellen EM-Trikots nur bei etwa zehn Prozent des Preises. Leider könne die Kundin oder der Kunde auch bei einem Preis von über 100 Euro nicht davon ausgehen, dass die Produktionsbedingungen besser seien. "Nur weil etwas teurer ist, heißt es nicht, dass es besser hergestellt worden ist."
Um auf die Lage der Näherinnen aufmerksam zu machen, hat die "Kampagne für saubere Kleidung", der Femnet angehört, Bierdeckel unter dem Motto "Bei diesem Spiel gewinnt leider nur adidas" entworfen, die bei Events wie Public Viewings verteilt werden sollen.
"Wir wissen, dass der Schwerpunkt der Fans nicht darauf liegt", sagte Mulder. Aber sie wollten die Menschen dazu bringen, über die globalen Zusammenhänge nachzudenken. "Fußball und Nachhaltigkeit muss kein Widerspruch sein. Und am besten sollten ja alle Beteiligen Freude daran haben, und nicht nur diejenigen, die die Trikots tragen dürfen."