Abdu Ahmed steht auf Maisfeld der Koopertive
epd-bild/Bettina Rühl
Der 57-jährige Abdu Ahmed steht auf einem Maisfeld seiner Koopertive in der Region Afar im Norden Äthiopiens.
Hungersnot in Äthiopien
Abdu Ahmed erntet auch in Dürre-Zeiten
Trockenheit, Fluten und Gewalt: In Äthiopien hungern Millionen Menschen. Organisationen versuchen, die Not zu lindern, doch ihr Geld reicht nicht. Der Hirte Abdu Ahmed aber baut dank internationaler Hilfe sein eigenes Gemüse an.

Abdu Ahmeds Maisfeld wirkt wie eine Oase. Die Landschaft in der Region Afar im Norden Äthiopiens ist trocken und steinig. Er sei erst seit vier Jahren Bauer, erzählt der hagere 57-Jährige mit einer Hacke in der Hand, während die Blätter seiner Maispflanzen im strammen Wind rascheln. "Bis dahin hatte ich keine Ahnung davon, wie man einen Acker bestellt." Er sei sein Leben lang Viehalter gewesen. "Die ersten Ziegen bekam ich, als ich zehn Jahre alt war."

Umso härter traf es ihn, als er bei einer Dürre dem Sterben von 25 seiner Tiere hilflos zusehen musste. "Sie fanden nicht genug Wasser, und nicht genug zu fressen", klagt der fünffache Vater. Von seiner kleinen Herde sind ihm nur zehn Ziegen geblieben. In den vergangenen Monaten sind in Äthiopien infolge einer extremen Trockenzeit nach UN-Angaben mehrere Millionen Rinder, Ziegen, Schafe und Kamele gestorben.

Äthiopien leidet seit Monaten unter einer schweren Dürre, die durch das Wetterphänomen El Niño besonders ausgeprägt ist. Betroffen seien vor allem der Norden und einige Teile im Süden des Landes, sagt Yousaf Jogezai, Leiter des Landesbüros der Deutschen Welthungerhilfe. "Wegen der Trockenheit ist die Ernte im Herbst letzten Jahres viel zu gering ausgefallen. Millionen von Menschen werden in den kommenden Monaten Lebensmittelhilfe benötigen."

Auf die Dürre folgte in vielen Landesteilen Starkregen, der schwere Überschwemmungen verursachte - und den Tod weiterer Tiere. "Manche Gemeinschaften haben ganze Herden verloren", sagt Valerie Browning, Leiterin der Hilfsorganisation APDA, die Angehörige des Hirtenvolkes der Afar unterstützt. "Die Tiere schliefen in Flussbetten, die normalerweise ausgetrocknet sind, und wurden von den Fluten mitgerissen."

Ausgehungert und plötzlich Nässe und Kälte ausgesetzt seien Mensch und Tier kaum in der Lage gewesen, Krankheitserregern etwas entgegenzusetzen. In mehreren Regionen brach Cholera aus. Insgesamt waren nach UN-Angaben rund 590.000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen, etwa 95.000 mussten ihre Dörfer verlassen.

Dürre, Fluten, Kriege und Konflikte

Neben Dürren und Fluten verursachen Kriege und Konflikte weitere Not im ostafrikanischen Land. Vor allem die Folgen des zweijährigen Kriegs im nördlichen Tigray zwischen der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmet und der Regionalregierung halten bis heute an. Der Konflikt breitete sich ins benachbarte Amhara und zeitweise auch nach Afar aus. Mindestens 600.000 Menschen starben nach Schätzungen der Afrikanischen Union: Sie erlagen ihren Verletzungen, starben an behandelbaren Krankheiten, weil das Gesundheitssystem zusammengebrochen war, verhungerten, weil sie ihre Felder hatten aufgeben müssen. Laut den Vereinten Nationen werden in diesem Jahr mehr als 21 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Zwischen Juli und September werden demnach voraussichtlich fast elf Millionen nicht wissen, woher sie ihre nächste Mahlzeit nehmen sollen.

Neu-Bauer Abdu Ahmed hat in gewisser Weise Glück gehabt, obwohl die meisten seiner Ziegen gestorben sind. Dank der Welthungerhilfe und der äthiopischen Organisation APDA konnte er sich ein zweites Standbein aufbauen: Zusammen mit weiteren 36 Afar lernte er, wie man Saatgut ausbringt, Unkraut jätet, richtig bewässert. Die Frauen und Männer schlossen sich zu einer Kooperative zusammen und bestellen das etwa fünf Hektar große Feld seitdem gemeinschaftlich. Das Wasser kommt dank der Welthungerhilfe aus einem Tiefbrunnen, die Pumpe arbeitet mit Solarenergie.

 

Abdu zählt auf, was sie anbauen: "Außer Mais auch Bananen, Avocados und Mangos, Tomaten, Zwiebeln und anderes Gemüse." Die Landwirtschaft mache ihnen Hoffnung. "Erstens haben wir dadurch selbst etwas zu essen. Zweitens können wir die Stängel und alles Grün an unsere Tiere verfüttern. Drittens können wir unsere Feldfrüchte auf den Markt bringen und von dem Gewinn dafür andere Lebensmittel kaufen."

Währenddessen könnten sich viele Familien der Afar nur noch eine Mahlzeit am Tag leisten. Und die bestehe bei vielen ausschließlich aus Brot. "Das ist schrecklich, vor allem für Kinder und Schwangere", sagt die APDA-Leiterin Valerie Browning, die Krankenschwester und Hebamme ist. "Wir verurteilen die Kinder dazu, dass sie sich nicht richtig entwickeln können."
Währenddessen beklagen Helferinnen und Helfer, dass sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel bei Weitem nicht allen helfen könnten, die in Not sind. Nach Angaben der Vereinten Nationen werden allein für das laufende Jahr 3,2 Milliarden US-Dollar für humanitäre Hilfe gebraucht. Die bisherigen Zusagen bleiben dahinter weit zurück.