Zum 20. Jahrestages des Bombenanschlags in Köln hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum couragierten Einsatz für Demokratie und eine offene Gesellschaft aufgerufen. "Die Demokratie wird im Kleinen verteidigt, im Alltag", sagte Steinmeier laut Redetext am Sonntag in Köln. Beim Streiten sei der Respekt nicht zu vergessen. Jede und jeder sollte schauen, wo man sich einbringen könne. "Es kommt darauf an, dort 'Stop!' zu sagen, wo ein anderer Menschen erniedrigt", betonte der Bundespräsident.
Auch sollte Gewalt im politischen Meinungskampf geächtet werden, sagte Steinmeier mit Blick auf jüngste Übergriffe auf Politiker und dem mutmaßlich islamistischen Messerangriff in Mannheim vor rund einer Woche. "Die Demokratie fragt nicht danach, aus welcher Richtung der Extremismus kommt, der ihr ans Leder will! Die Demokratie fragt nach der Kraft und der Solidarität der Mehrheit, die sie verteidigt!"
Steinmeier sprach beim Kultur- und Begegnungsfest "Birlikte - Zusammenstehen" im Kölner Stadtteil Mülheim, wo am 9. Juni 2004 eine mit Nägeln gespickte Bombe in der migrantisch geprägten Keupstraße explodierte. 22 Menschen wurden bei dem Anschlag zum Teil schwer verletzt. Die Ermittler hatten die Täter zunächst in der türkischen Gemeinschaft vermutet. Erst 2011 wurde deutlich, dass der rechtsextremen terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) auch dieser Anschlag zuzuschreiben ist. Deutschlandweit hatte der NSU zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationsgeschichte ermordet sowie und eine Polizistin.
Steinmeier erinnerte an das Leid der Opfer durch den Terrorakt und die fehlgeleiteten Ermittlungen danach. "Wir alle sind zusammen hier, weil es wichtig und auch dringlich ist, dass wir die Geschichten und den Schmerz derjenigen sehen, hören und würdigen, die heute vor 20 Jahren hier schwer an Leib und Seele verletzt und dazu auch noch zu Unrecht verdächtigt wurden", sagte der Bundespräsident. Auch in der Zeit der Aufklärung sei dann die Notwendigkeit oftmals in den Hintergrund gerückt, die Geschichten der Opfer und ihrer Angehörigen zu hören, ihre Erinnerungen wahrzunehmen, beklagte er. "Dies bleibt beschämend für unser Land."
Mit dem Wissen von heute sei klar, dass schon in den 1990er Jahren der Staat den Rechtsextremismus systematischer beobachten und entschlossener hätte bekämpfen müssen, wandte sich Steinmeier direkt an die Betroffenen des Anschlags von 2004. Diese Erkenntnis wiege schwer. "Wir alle sind auch deshalb hier, weil wir angesichts dieser Erinnerung ein Zeichen fürs Heute setzen wollen", erklärter er. "Allen Versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten und Angst und Schrecken zu verbreiten, setzen wir das Bild dieses Tages in der Keupstraße entgegen: Wir sind mehr. Und wir sind hier."