Katharina Grothkopp und Gerd Rullmann
epd-Nord/Nadine Heggen
Katharina Grothkopp und Gerd Rullmann vom Verband Verwaiste Eltern Schleswig-Holstein auf der Lichtung in Jevenstedt, auf der die "Himmelsbäume" gepflanzt werden sollen.
Verband "Verwaiste Eltern"
"Himmelsbäume" erinnern an verstorbene Kinder
Auf einer Lichtung in Jevenstedt bei Rendsburg werden Eltern künftig Bäume für ihre verstorbenen Kinder pflanzen. Der Verband "Verwaiste Eltern" will mit dem Projekt an die Kinder erinnern, aber auch die betroffenen Eltern aus der Isolation holen.

Die Lichtung liegt in einem Mischwald am Ochsenweg in Jevenstedt bei Rendsburg. Die Sonne scheint warm an diesem Tag im Mai, die Vögel zwitschern und der Wind rauscht in den Baumkronen. Es ist ein friedlicher Ort für ein schweres Schicksal. In den kommenden Jahren werden hier 150 Bäume gepflanzt, von Eltern für ihre verstorbenen Kinder. "Himmelsbäume" heißt das Projekt des schleswig-holsteinischen Verbands "Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister" (Vesh). Der erste Spatenstich in Jevenstedt ist am Freitag (31. Mai) mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) geplant.

"Wenn Eltern ihre Kinder verlieren, macht das sprachlos", sagt Vesh-Bildungsreferentin Katharina Grothkopp. Aber das Thema müsse aus der Tabu-Zone raus, rein in die Gesellschaft. Die Lichtung soll deshalb ein Ort zur Erinnerung und Aufklärung werden. Kleine Informationstafeln, Skulpturen, Holzbänke wird es geben, ebenso eine Klagemauer, in die man kleine Textnachrichten stecken kann.

Am Rand der Lichtung liegt ein entwurzelter Baum als Symbol für die Gefühlslage, in der Eltern sich befinden, die ihre Kinder verloren haben. Der erste Baum, den der Ministerpräsident pflanzt, soll für das Miteinander stehen. "Verwaiste Eltern brauchen andere Menschen, um ihr schweres Schicksal zu ertragen", erklärt Grothkopp. Jedes Jahr sterben in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes "Verwaiste Eltern" zwischen 16.000 und 20.000 Kinder und Jugendliche.

Bäume sind die Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Gut 70 betroffene Eltern wenden sich pro Jahr an den Verband in Schleswig-Holstein, der sich über Zuschüsse des Landes und der Diakonie, Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert. Die Sozialpädagogen führen mit den Betroffenen Erstgespräche und vermitteln sie gegebenenfalls in Selbsthilfegruppen in Kiel, Schleswig und Neumünster. Weitere Gruppen in Flensburg und Heide sind im Aufbau.

Trost in der Gemeinde gefunden

Der Vesh-Verbandsvorsitzende Gerd Rullmann aus Mönkeberg bei Kiel ist selbst betroffen. Vor elf Jahren starb sein sechs Monate alter Sohn Matti den plötzlichen Kindstod. Seine Frau fand das Baby leblos, als sie es aus dem Mittagsschlaf wecken wollte. "Die ersten Wochen waren wir in Schockstarre", sagt Rullmann. Nach der Beerdigung sei die Trauer erst richtig losgegangen.

Den Rullmanns hatte in der ersten Zeit der Gemeindepastor Halt gegeben. "Unser Umfeld war fassungslos und überfordert. Aber unser Pastor war für uns da." Das war für Gerd Rullmann ein Grund, nach dem Tod seines Sohnes wieder in die evangelische Kirche einzutreten. "Außerdem glaube ich, dass Mattis Tod nicht das Ende ist. Ich werde ihn irgendwann wiedersehen."

Den Schmerz von der Seele reden

Damals war der Verein "Verwaiste Eltern" noch klein, die einzige Selbsthilfegruppe gab es in Schleswig, wo sich der Verein 2004 gegründet hatte. Mehrere Jahre lang fuhren Rullmann und seine Frau einmal im Monat dorthin. "Uns hat der Austausch mit anderen Betroffenen sehr geholfen." Man könne sich den Schmerz von der Seele reden und erfahren, wie andere mit dem Verlust umgehen.

Feste Rituale helfen den Rullmanns dabei, ihrem verstorbenen Sohn weiterhin einen Platz im Alltag einzuräumen. An Mattis Geburtstag gehen sie zum Friedhof, mit einem Zahlen-Luftballon, der widerspiegelt, wie alt Matti geworden wäre. An Heiligabend schneiden sie den schönsten Zweig am Tannenbaum ab und bringen ihn zum Friedhof. "So können wir sichtbar machen, dass ein Familienmitglied fehlt."

Auch die Aktionen des Vesh helfen. Bereits auf der Nordseeinsel Föhr hatte der Verband seit 2015 regelmäßig mit betroffenen Eltern insgesamt 100 Bäume gepflanzt. Die durch einen schweren Herbststurm geschädigte Waldfläche ist nun aufgeforstet. Jevenstedt ist das Nachfolgeprojekt.

Letztlich müsse aber jede betroffene Familie ihren eigenen Weg finden, mit dem Schmerz umzugehen, sagt Rullmann. Es gebe keine Schablone, die für alle passe. Was Betroffenen in der Regel nicht helfe, seien Floskeln. Sätze wie "Das wird schon wieder" oder "Nun hast du aber auch genug getrauert" seien verletzend, erklärt Rullmann. Stattdessen solle man sagen, dass man keine Worte habe und Betroffenen Kuchen oder Suppe vorbeibringen.