Huppertz, Nikola: Fürs Leben zu lang. München: Tulipan 2023. 194 S. ISBN 978-3-86429-570-6, geb.: 16,00 €
Coming-of-Age und die großen Fragen des Lebens.
Magalis Schwester ist auf Dauerkrawall gebürstet, die Eltern überfordert und Magali – ist groß. Deutlich zu groß für ihr Alter und immer noch am Wachsen. Ihre Eltern haben entschieden, nichts dagegen zu unternehmen. Angeblich, weil sie wunderbar ist, so wie sie ist. Und weil es angeblich ungesund ist, das Wachstum zu stoppen. Wie ungesund ist es aber wohl, zu lang fürs Leben zu sein? Etwas einsam ist Magali auch, gerade jetzt in den Osterferien. Zum Glück gibt es Snow, den Husky der Nachbarn im Mehrfamilienhaus. Sträflich vernachlässigt von seiner Familie ist er immer bereit, wenn Magali Zeit für ihn hat. Dann verkündet der alte Nachbar Herr Krekeler, dass er nun bald sterben wird und bekommt Besuch von seinem Enkel. Kieran ist eher klein für sein Alter, altklug und ziemlich penetrant. Wider Willen freundet sich Magali mit ihm an. Viele Fragen beschäftigen die beiden: Küssen, gutaussehende Nichten, Strawinsky und vor allem das Leben. Wie Sterben geht, zeigt ihnen Herr Krekeler, aber wie lebt man richtig?
Viele Themen klug, spannend und lebensnah verbunden. Die zeitliche Verortung rund ums Osterfest in Kombination mit den aufgerufenen Themen bietet viel Stoff zum Nachdenken.
Ein Herzensbuch. Und ein Segen, dass es Autor:innen wie N. Huppertz gibt.
Wiebke Mandalka
Flašar, Milena Michiko: Oben Erde, unten Himmel. Roman. Berlin: Wagenbach 2023. 296 S. ISBN 978-3-8031-3353-3, geb.: 26,00 €
Eine junge Frau aus einer japanischen Großstadt kommt durch die Arbeit dem Tod nah, das verändert ihr Leben.
Suzu lebt allein. Sie teilt sich ihre Wohnung mit einem Hamster. Beziehungen zu Männern lassen sie unglücklich zurück. Familienkontakte finden keinen Widerhall in ihr. Sie nimmt einen Job in einer Reinigungsfirma an, die sich um Orte kümmert, an denen Menschen tot aufgefunden werden. Von ihrem Chef guckt sie sich ab, wie er denen, die elendig die Erde verlassen haben, würdevoll begegnet. Er spricht mit ihnen, als wären sie am Leben und hörten die Botschaften. In ruhigem Ton verspricht er ihnen, sie respektvoll zu verabschieden. Die Mitarbeitenden räumen auf und reinigen, erzählen einander Geschichten und öffnen sich für diese Schwingungen zwischen Himmel und Erde. "Es geht darum, etwas für einen Toten zu tun, was man sonst nur für einen Lebenden tut." Wo hört schon die Erde auf, wo begint der Himmel? Die Grenzen sind verschwommen. Vielleicht ist der Himmel auch unten und wir Menschen gehen auf Wolken. Wer weiß das schon? Suzu findet in diesen heiligen Zonen zurück ins Leben.
Unbemerkt Verstorbene bekommen ihre Würde zurück und schärfen den Blick auf alles Lebendige.Himmel und Erde verweben sich.
Christine Behler
Ehrenhauser, Martin: Der Liebende. Roman. Berlin: List 2023. 207 S.
ISBN 978-3-471-36060-6, geb.: 20,99 €
Eine besondere Geschichte über das Alter, die Liebe und das Leben, ganz besonders erzählt.
Ein feines, stilles Buch über eine Liebe im Alter, möchte man nach den ersten Seiten vermuten, aber es ist viel mehr: Monsieur Haslinger, ein zölibatär lebender Geistlicher im Ruhestand, lebt bescheiden und zurückgezogen in einer kleinen Brüsseler Mietwohnung mit Hinterhofbalkon. Dort und an vielen Plätzen im Stadtteil kümmert er sich liebevoll um vernachlässigte Pflanzen, eine Art Blumensamariter.
Seine Besuche bei der alten und herrischen Madame Amtsberg erledigt er mit ebensolcher Geduld und Fürsorge. Aber als ihn die von ihm mit wachsendem Interesse beobachtete Nachbarin anspricht und ihn ob seiner üppigen Balkonpflanzen lobt, gerät sein bisheriges Leben völlig aus den Fugen. So entwickelt sich eine anrührende Liebe voller Achtung und gegenseitigem Respekt, die auch durch Krankheit und Tod nichts von ihrer Intensität und ihrem Zauber verliert.
Die Verwandlung des Monsieur Haslinger in einen Liebenden, der am Ende den Glauben an das unendliche Leben im Tod nicht verliert, nimmt die Leser:innen bald mit auf die Reise in die eigene Lebenswelt und stellt Fragen ...
Ein besonderer Blick auf das Leben im Alter, eindringlich und intensiv.
Christiane Weppner
Haak, Rainer: 77 mal Trost. Gute Gedanken in schweren Zeiten. München: bene! 2023. 189 S. : Ill. ISBN 978-396340-214-2, geb.: 12,00 €
77 wunderschön formulierte Texte, die der Trauer Raum geben. Die Betroffenen finden Trost und Inspiration.
Das bibliophil gestaltete Büchlein aus der Reihe "77mal" berührt an vielen Stellen beim Lesen so sehr, dass Tränen fließen. In seinen 77 tröstlichen Texten, sei es in Form von Geschichten, Gedichten, Briefen oder Gebeten, wird der Trauer Raum gegeben. Ein Kapitel erzählt von einer verzweifelten Witwe, die sich sehnlichst ein offenes Ohr wünscht, während ein anderes einen hoffnungsvollen Traum schildert, der die Trauer allmählich in den Hintergrund drängt. Dieses kleine, feine Buch mit seinem geprägten Blumen-Cover zeichnet sich nicht nur durch seine Vielfältigkeit aus, es transportiert vielmehr die wichtige Botschaft, Trauer nicht zu unterdrücken, sondern sie als Teil des Heilungsprozesses zu begreifen. Dazu bietet es beispielhaft verschiedene Möglichkeiten der Trauerbewältigung, des sozialen Supports, des Wegs zurück in den Alltag, des Loslassens und mehr, alles in beeindruckenden Textformen. Zudem werden die Worte visuell durch schwarz-weiße Fotos ergänzt, die eine zusätzliche emotionale Tiefe verleihen.
Ein idealer Trostspender als Geschenkbüchlein oder als Highlight in jeder Bibliothek. Sehr empfohlen!
Martina Mattes
evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal Eliport für die inhaltliche Kooperation.