Mit der Hand vom Bananenblatt zu essen sei einfach wunderbar, findet Joe Übelmesser, der eigentlich Josef heißt. Dem Gegenüber beizubringen, mit Messer und Gabel zu essen - auch im übertragenen Sinne - habe er nie als seine Aufgabe empfunden, erzählt er; von Bekehrungen jeglicher Art halte er nichts. Im Gegenteil: Wenn man offen sei für neue Kontexte und Interesse mitbringe, könne man viel vom Anderen lernen, ist er überzeugt. Und ist selbst das beste Beispiel: Aus einem schier endlos großen Fundus kann er schöpfen, wenn er von seiner Zeit in Indien oder Lateinamerika spricht.
Als kleiner Junge fand er auf dem Dachboden bündelweise Missionszeitschriften, "Hefte aus fernen Landen". "Da hatte ich Blut geleckt", erinnert sich Joe Übelmesser, der aus der Nähe von Marktredwitz in Oberfranken stammt. Für ihn stand fest: Solche Abenteuer wollte auch er erleben.
Mit zehn Jahren ging er ins Seminar nach Regensburg, hatte dort die Chance auf eine höhere Schule - und das anfängliche Heimweh bald überwunden. Aufregend sei es da besonders gewesen, wenn Missionare "von draußen" erzählt hätten. "So was kann heute niemand mehr verstehen", sagt er lachend. "Außer ich - ich würde es sofort wieder machen", so Übelmesser. In diesen Momenten wirkt der 92-Jährige ein bisschen spitzbübisch, so, als habe er sich seine kindliche Freude und seinen jungen Geist bis ins hohe Alter bewahrt. "Mein Leben hat mir immer Spaß gemacht", resümiert er denn auch. Diese Zufriedenheit strahlt nach außen.
"Mission heute zielt auf eine solidarische Kirche ab."
Mit 18 Jahren trat Josef Übelmesser in den Jesuitenorden ein, ging zum Theologiestudium nach Indien, lernte Englisch und viele Missionsstationen kennen, bekam ein Gefühl für die Notwendigkeit von Brunnen und Bildung, wurde 1963 schließlich im indischen Goa zum Priester geweiht. Der Missionsbegriff, findet er, habe sich seit dieser Zeit gewandelt: "Damals leistete jeder irgendwie Entwicklungshilfe", erinnert er sich. "Mission heute zielt auf eine solidarische Kirche ab."
Von 1964 bis 1997 leitete er als Missionsprokur das internationale Hilfswerk der deutschen Jesuiten, die Jesuitenmission in Nürnberg. Eine sehr pragmatische Entscheidung, erinnert sich Joe Übelmesser: "Mein Vorgänger nahm mich mit zur Bank und erklärte: Dieser wird künftig die Unterschriften leisten." Damit war die Entscheidung über seine neue Tätigkeit gefallen.
Viel Herzblut steckte er in die wachsende Spenderbetreuung, die anfangs aus einem Schuhkarton voller Überweisungszettel und Adressen bestand. "Irgendwann ging das mit den Spendenquittungen los", erinnert sich Joe Übelmesser. "Mit der Zeit sind wir immer besser geworden", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. "Ich hatte gute Freunde und Berater."
Was er zu der Zeit nicht hatte: eine Pfarrei, mit der er sich identifizierte: "Ich merkte, dass mir eine geistige Heimat fehlte", so Übelmesser, der daraufhin Pfarradministrator von St. Otto in Nürnberg-Laufamholz wurde, wo er von 1995 bis 2007 tätig war. Auch sein Tun als Hochschulseelsorger in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Erlangen bis Ende 2023 war ihm lieb und wichtig. "Da habe ich mich wirklich jung gefühlt", sagt er lachend.
Sarah Kolling, die heute Politologin und Medienwissenschaftlerin ist, hat ihn als Studentin erlebt, fühlt sich noch immer freundschaftlich mit ihm verbunden und weiß: "In der Nähe von jungen Menschen, die voller Lebensfreude, Zweifel und Fragezeichen ihren Weg im Leben suchen und gehen, fühlt sich Joe einfach besonders wohl."
Kennengelernt hat sie ihn, als sie vor elf Jahren als Bundesfreiwillige in der KHG arbeitete, erzählt die junge Frau. Sie schätzt an ihm, dass er die Menschen annehme und ihnen das Gefühl gebe, gesehen zu werden. Mit seiner offenen Art habe er Generationen von Studenten geprägt, unzählige Menschen in diesem Rahmen getraut und getauft und auch immer mal wieder für Diskussionen gesorgt, sagt die 30-Jährige.
In Verbundenheit mit jungen Leuten ist er auch der Fridays for Future-Bewegung gegenüber aufgeschlossen, solidarisiert sich mit der "Letzten Generationen", hat sich aktiv und auf unkonventionelle Art und Weise an verschiedenen Aktionen beteiligt, dafür sogar einen Rechtsbruch in Kauf genommen, der für Aufsehen sorgte: "Mich geht es eigentlich nichts mehr an", sagt er, "denn ich werde es nicht mehr erleben." Gleichzeitig wünscht er denen, die nachkommen, ein - trotz aller Herausforderungen - "vernünftiges Leben". Doch: "Wenn es so weitergeht wie bisher", gibt er zu bedenken, werde dies nicht möglich sein.
Bewahrt hat er sich neben aller Ernsthaftigkeit auch Lebensfreude und Humor sowie das Interesse am Gegenüber. Gerne organisiert er Ausstellungen und betätigt sich als Autor. Viele Gesichter von (Welt-)Kirche habe er im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erlebt, sagt er. Die Herde um ihn herum sei kleiner geworden, das schon, aber Jesu Herde sei auch nicht größer gewesen, fügt er hinzu. Deshalb: "Fürchte dich nicht!"
Joe Übelmesser ist nicht auf den Mund gefallen, distanziert sich von Menschen, die nur lamentieren und jammern, auch innerhalb der Kirche, schätzt Zuhören und Begegnungen auf Augenhöhe, außerdem den großen Meister der Exerzitien und Heiligen Ignatius von Loyola, der ihn vor allem gelehrt habe, den Blick auf das Positive nicht zu vergessen: "Jeden Tag fällt mir mindestens eine Sache ein", sagt Joe Übelmesser, "die ich loben kann, die einfach gut war - für die ich dankbar sein darf."