mission.de: Christ*innen sind im Iran eine religiöse Minderheit. Aber gleichzeitig gehören die christlichen Gemeinden im Iran angeblich zu den ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt. Wie ist die Lage der Christ*innen in der Islamischen Republik?
Kirsten Wolandt: In seiner Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte erzählt Lukas, dass unter den in Jerusalem versammelten Besucher*innen aus dem Ausland u. a. auch Parther und Meder waren, die dann ihren neuen Glauben mit in ihre Heimat zurückbrachten. Diese Überlieferung reflektiert, dass es schon sehr früh im Raum des heutigen Irans christliche Gruppen und Gemeinden gegeben haben muss. Mission geschah dort bereits zur Zeit der Apostel. Der christliche Glaube im Iran hat also eine lange, wenn auch sehr wechselhafte Tradition.
Heute beträgt die Anzahl der Christ*innen weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung. In der Islamischen Republik Iran zählen sie zu den "anerkannten religiösen Minderheiten". Die meisten gehören zur armenisch apostolischen Kirche. Obwohl die Gemeinden auf diese Weise einen klaren Rechtsstatus haben, stehen sie unter dauernder Beobachtung, die Zahl ihrer Mitglieder sinkt seit der Revolution 1979 kontinuierlich.
Werden christliche Feiertage im Iran in irgendeiner Weise offensichtlich gefeiert oder kann das nur hinter verschlossenen Türen stattfinden? Feiern iranische Christ*innen Pfingsten?
Wolandt: Christliche Kirchen gibt es in fast allen größeren Städten des Landes. Die meisten stehen verborgen hinter Mauern und Toren, an denen man erst einmal klingeln muss. Der Zugang wird oft nur Mitgliedern gewährt, weil man nicht in den Verdacht geraten darf, Angehörige anderer Religionen einzuladen oder gar zu missionieren. Die Gemeinden vermeiden außerdem, in besonderer Weise aufzufallen.
"Für die deutsche Auslandsgemeinde war Pfingsten ein besonderer Tag."
Das bedeutet, dass sie nicht mit Glocken zum Gottesdienst einladen oder ihre Feste nicht öffentlich begehen. Im Gegensatz zum Weihnachtsfest, das auch in einem so stark islamisch geprägten Land wie dem Iran durch ausländische Filme oder durch seine sprechenden Symbole bei vielen bekannt ist, ist Pfingsten unbekannt. Und auch in den Kirchen selbst spielt das Pfingstfest nach meiner Wahrnehmung keine besondere Rolle.
Und wie war das bei Ihnen, während Ihrer Zeit in der deutschen Auslandsgemeinde? Wie haben Sie und die deutschen Christ*innen Pfingsten gefeiert?
Wolandt: Für die deutsche Auslandsgemeinde war Pfingsten ein besonderer Tag. Nicht nur, dass wir dieses Fest ökumenisch gefeiert haben mit einer englischsprachigen, eher freikirchlich geprägten Gemeinde, wir nutzten den Tag auch immer zu einem Ausflugsgottesdienst in die Umgebung der Großstadt Teheran. Die Besucher*innen kamen aus vielen verschiedenen Ländern wie Südafrika, der Schweiz, China, Australien oder Frankreich, viele von ihnen waren Familien mit Kindern, aber auch Ältere, die seit sehr vielen Jahren im Iran lebten.
Nach dem Gottesdienst blieben wir zusammen, aßen Kebab miteinander, sangen, plauderten, schwammen im Pool unserer Gastgeber*innen. Für alle war das ein besonderer Höhepunkt im Kirchenjahr und zeigte, wie sehr man – trotz aller auch theologischer Verschiedenheiten – zu einer Kirchenfamilie zusammenwachsen und sich als eine Gemeinde verstehen kann. In einer Minderheitensituation spielen sowieso weniger die Differenzen als die Gemeinsamkeiten eine Rolle. Für mich knüpfte unsere Pfingstgemeinde mit ihren so unterschiedlichen Hintergründen an das an, was ich in dem Bericht des Lukas lese: dass das Wirken des Geistes Gottes Menschen zusammenbringt und sie sich neu sehen und verstehen können.
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