Ein Zugangscode reiche und schon könne überall mit dem Programm begonnen werden. Und so ist es dann auch. Kurz nach dem Telefonat erhält evangelisch.de eine Mail mit Zugangsdaten. Maximal zwei Stunden Zeit, so Christiane Kolb, Referentin der Stabsstelle im Gespräch mit evangelisch.de., müssen Teilnehmenden für das Learning einplanen. Kein großer Aufwand für die Chance, selbst mehr Sicherheit in risikoreichen Situationen zu gewinnen und Orientierungshilfen für das eigene Handeln zu erhalten.
Zwei Jahre hat die Entwicklung des "E-Learning Basismodul zur Prävention sexualisierter Gewalt" zur Schulung von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen gedauert. Jetzt aber ist das Angebot Nordkirchen-weit einsetzbar. Flexibilität und der leichte Zugang sollen die Stärken des E-Learnings sein. Es vermittele niedrigschwellig erstes Wissen zur Prävention sexualisierter Gewalt. Mitarbeitende und Ehrenamtliche könnten so erreicht werden, die sonst kaum Zugang zum Thema haben, sagt Rainer Kluck, Leiter der Stabsstelle Prävention, Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt, die das Projekt betreut.
Das Potenzial in vielen Kirchenkreisen, Regionen und in anderen Landeskirchen einsetzbar zu sein, habe das Learning, sagt Kolb. Es sei individuell anpassbar. Kirchenkreise und Hauptbereiche können so frei entscheiden über die individuelle Übernahme und lokale Verbreitung der Learnings. Doch dazu später Genaueres.
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Heute ist sie freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
"Danke fu?r Ihr Engagement fu?r unser gemeinsames Ziel, Kirche zu einem sichereren Ort fu?r alle zu machen!" So begrüßt Kirsten Fehrs, Vorsitzende des Beirats der Stabsstelle Prävention der Nordkirche, all die, die das Learning starten und sich eingeloggt haben. Das motiviert.
Fünf Kapitel gilt es zu durchlaufen. Wer es zeitlich nicht auf einmal schafft, kann seinen Fortschritt speichern und das Learning später fortsetzen. Zur eigenen Kontrolle werden am Ende jedes Kapitels Quizfragen gestellt. Zum Start werden Organisationen und Ansprechpartner:innen genannt, an die sich Betroffene, Angehörige oder Fachpersonen jederzeit wenden können. "Diese Kontakte können je nach Kirchengemeinde oder Region angepasst werden", erklärt Christiane Kolb.
Die schwierige Balance zwischen Nähe und Distanz
Das eigene Lernen beginnt mit einer Einleitung, die verdeutlicht, dass Nähe gerade für Kirche durch die enge Beziehungsarbeit Stärke und Schwäche zugleich sei. Denn: Große Nähe bedeute auch, dass enge und vertrauensvolle Bindungen missbraucht und Menschen großer Schaden zugefügt werden kann.
In Kapitel eins geht es um Begriffe und Fakten. Was sind eigentlich Situationen sexueller Grenzverletzungen und wo beginnt sexualisierte Gewalt? Sind es nicht gewollte Kosenamen? Die zu enge Umarmung zur Begrüßung?
Entscheidend sei es, so lernt es sich, neben dem Verhaltenskodex oder Selbstverpflichtungserklärungen immer die Einschätzung des Betroffenen zu berücksichtigen. Unterschiede und Merkmale von Grenzverletzung und Gewalt werden ausführlich erläutert. Ein Erklärvideo unterscheidet Begriffe und erklärt die Strafbarkeit unterschiedlicher sexueller Handlungen. Zu lesen sind die Definition sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche, Fakten zur Häufigkeit und Auftreten entsprechender Fälle, allgemein und innerhalb der Kirche sowie mehr über die neuen Gefahren, die durch digitale Kanäle in das heutige Leben schwappen. Die Überprüfung durch Quizfragen, die jeweils eine Einschätzung des Lernenden zu einem Fallbeispiel erfragen, sind ein gutes Feedback für den eigenen Lernerfolg.
Im folgenden Kapitel geht es um Nähe und Distanz. Die eigenen Grenzen zu kennen und die anderer wahrzunehmen und zu akzeptieren. Es geht aber auch um Macht oder Mut. Das dritte Kapitel informiert über die Präventionsarbeit der Nordkirche. Auch hier ließe sich der Bereich entsprechend individualisieren und so beispielsweise statt der Rechtsverordnung der Nordkirche, die einer anderen Landeskirche platzieren. Selbes gilt für kircheneigene Botschaften oder Strategien.
Wozu ein Schutzkonzept?
Schutzkonzepte sind der Schwerpunkt des folgenden Bereichs. Hilfreich für Gemeinderatsmitglieder, die sich für eine bessere Präventionsarbeit mit eigenen Konzepten beschäftigen. Wozu dienen solche Konzepte und wie sieht der Prozess dahin aus? Zu jedem einzelnen Prozessschritt erhalten Teilnehmende nützliche Informationen. Ebenso ist alles über notwendige Bestandteile zu erfahren. Ein Praxisbeispiel erdet auch hier die vorab erlernte Theorie und zeigt dessen Machbarkeit auf.
Zum Abschluss kommt ein Themenbereich, den jeder Teilnehmende hoffentlich nie umsetzen muss. Was tue ich, wenn trotzdem etwas passiert? Hier erhalten Lernende konkrete Handlungsempfehlungen für eigene erste Schritte. Meldung bei Beobachtungen, die Kontrolle des eigenen Verhaltens. Es ist sicher nicht leicht, aber oft gilt es Ruhe zu bewahren. Die Notwendigkeit, den Vorfall zu dokumentieren und eigene Beratung in Anspruch zu nehmen.
Mehr als eine Teilnahmebestätigung
Wer alle Quizfragen korrekt beantwortet (keine Sorge, dank guter Erklärungen schaffbar) erhält eine Teilnahmebestätigung sowie, wenn gewünscht, einen Ausdruck des Materials. So kann man in Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt alles noch einmal nachlesen. Lydia Christ, Gemeindesekretariat in Tellingstedt, Kirchenkreis Dithmarschen, die das Learning ebenfalls durchlaufen hat, sagt: "Das E-Learning ist eine sehr gute Grundlage, um erste Einblicke und grundsätzliche Eindrücke zu bekommen. Mich hat das manchmal berührt und nachdenklich gemacht – mancher Spruch oder eine schnelle Geste, die an die Grenzen gehen, können ja auch unabsichtlich sein, plötzlich merkt man: So etwas in der Art habe ich auch schon erlebt, früher und auch immer noch. Umso wichtiger ist es zu lernen, dass wir da lernen müssen, hinzuschauen, gut zu kommunizieren und umzudenken."
Man begreife, dass alle verantwortlich seien für sicheren Umgang miteinander. Es beginne im Kleinen und gehe um etwas ganz Großes, so Christ weiter. Auch eine Bildungsreferentin aus der Nordkirche hat positive Erfahrungen gemacht: "Das ist ein professionelles, aber nahbares Tool, das mich sehr angesprochen hat. Vor allem die Quizfragen und -antworten machen es sehr anschaulich. Situationen können sehr kompliziert und persönlich sein, aber nun weiß ich, dass es dazu in der Kirche Ansprechstellen gibt - und kenne auch erreichbare Stellen von außerhalb. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen diese Informationen aufnehmen können. "
Ein evangelisch.de Fazit: Das E-Learning rückt die Prävention zu sexueller Gewalt bei einem selbst wieder in den Fokus, stärkt die eigene Handlungskraft und sensibilisiert, bei manch einer Situation doch noch einmal etwas genauer hinzuschauen.
Die Idee entstand im Kirchenkreis Dithmarschen zusammen mit dem Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, der Stabsstelle Prävention und dem IT-Dienstleister KAIT in Meldorf erfolgte dann die Konzeption, Ausarbeitung und Entwicklung. Zunächst wurde das Basismodul den über 350 Mitarbeitenden im Landeskirchenamt zur Verfügung gestellt, seit Ende April haben auch die Mitglieder der Landessynode einen persönlichen Zugang.
Bei Interesse an dem E-Learning der Nordkirche können Sie Näheres auf der Website der Stabstelle erfahren.