11. Mai, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Datenleck"
Das ist natürlich absurd. Ausgerechnet Wilsberg soll sich per Mail mit einem Mann verabredet haben, um ihn zu töten: Das glaubt nicht mal Overbeck, der dem Detektiv durch herzliche gegenseitige Abneigung verbunden ist. Hört sich gut an, ist aber nicht ganz so spannen wie erhofft, findet evangelisch.de-Kritiker Tilmann P. Gangloff.

Wilsberg ist, wie jeder weiß, ein analoges Fossil; der Antiquar besitzt nicht mal einen Computer. Weitaus brenzliger wird es für seinen Freund Ekki: Ausgerechnet der brave Steuerprüfer soll 25.000 Euro unterschlagen haben. Das Mordopfer war der IT-Experte des Finanzamts Münster und ist Ekki anscheinend auf die Schliche gekommen. Tatsächlich lassen die Indizien keinen Zweifel an seiner Schuld: Mit dem Geld wollte er sich einen langgehegten Traum erfüllen und sich einen Camper zulegen; die Anzahlung hat er in bar geleistet. Natürlich ist das alles eine raffiniert eingefädelte Intrige, aber die beiden Freunde müssen Ekkis Unschuld beweisen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

 

Das komplexe Drehbuch (Thomas Gerold, Magdalena Grazewicz) hat jedoch noch viel mehr zu bieten. Ausgangspunkt der zentralen Handlung ist die Digitalisierung des Finanzamts. Sehr zum Ärger einer ambitionierten Kollegin (Friederike Linke) überträgt der dafür zuständige Abgesandte (Moritz Führmann) aus der Landeshauptstadt Ekki (Oliver Korittke) die Aufsicht über die Umstellung. Als sämtliche Computer abstürzen, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit Ralph Fechner (Mirco Kreibich), dem leicht reizbaren hauseigenen IT-Experten. Versehentlich gibt der wild gestikulierende Ekki dem Mann sogar eine Backpfeife. Als Fechner tags drauf ertrunken im Aasee treibt, gerät der Finanzbeamte prompt in Verdacht, zumal am Tatort auch die geleerte Whisky-Flasche gefunden wird, mit der er sich bei dem Kollegen entschuldigt hat. Aber Fechner hatte womöglich noch ganz andere Feinde: Der Mann war ein echter Robin Hood, wie sich schließlich rausstellt. 

Wirklich aufregend ist diese "Wilsberg"-Episode mit der Laufnummer 82 trotzdem nicht, zumal Vivian Naefes Inszenierung kaum Spannung aufkommen lässt; schon ihre Beiträge zur ZDF-Krimireihe "Das Quartett" hatten keinen Nervenkitzel zu bieten. Sehenswert ist "Datenleck" daher vor allem wegen des Ensembles, zumal das Drehbuchduo sämtlichen Mitgliedern ausreichend Spielmaterial bietet. Für Heiterkeit sorgen dabei vor allem die Kommissare Overbeck (Roland Jankowsky) und Dreckshage (Stefan Haschke). Weil Chefin Anna Springer (Rita Russek) in Urlaub ist, machen die beiden ehrgeizigen Polizisten aus dem Fall einen Wettbewerb: Overbeck kann sich zwar nicht vorstellen, dass Ekki ein Mörder ist, aber die Hinweise scheinen eindeutig zu sein; Dreckshage wiederum verdächtigt Wilsberg. Die Dialoggefechte der Kommissare sind eine große Freude. 

Ein besonderer Reiz vieler "Wilsberg"-Filme der letzten Jahre resultierte aus dem Kontrast zwischen der digitalen Verweigerungshaltung der Hauptfigur und den Cybercrime-Geschichten. Dank der digitalen Affinität Overbecks spielt diese Ebene auch diesmal wieder eine wichtige Rolle: Fechner gehörte zur Hackergruppe Byte MS. Deren Wortführerin (Anne Schäfer) versichert: "Wir sind die Guten!" Anwältin Tessa (Patricia Meeden) vertritt jedoch ein Rückversicherungsunternehmen, das den Verein wegen Datendiebstahls verklagt hat. Weil daher auch Wilsberg und Ekki den Hackern nicht trauen, kommt wieder mal Anna Springers Patenkind Merle ins Spiel; sie soll sich als "verdeckte Ermittlerin" bei Byte MS einschleusen und rausfinden, ob die Hacker in den Fall involviert sind. Dass Janina Fautz, längst keine hoffnungsvolle Nachwuchsschauspielerin mehr, immer noch bereit ist, für Stippvisiten in Episoden wie diese vorbeizuschauen, unterstreicht den familiären Charakter der 1995 gestarteten Reihe. 

Für die Wahrheitsfindung nicht weiter wichtig, aber ebenfalls originell ist die Idee, dass der Detektiv Anna nach ihrer Rückkehr mit einem originellen Bücherregal erfreuen will. Dummerweise hat er mit der Verpackung auch die Anleitung weggeworfen, und weil er sich durch ein Missgeschick auch noch den Fuß gebrochen hat, schaut immer wieder mal jemand vorbei, um ihm bei Aufbau zu helfen. Der Loriot-artige Schlussgag, als Anna das Regal einweiht, ist allerdings erwartbar. Die Inszenierung ist ohnehin etwas bieder ausgefallen. Die Bilder wirken zwar hochwertig, doch die Bildgestaltung ist längst nicht so abwechslungsreich wie die Geschichte, zumal auch noch eine gehörlose Lippenleserin für überraschende Erkenntnisse sorgt; von den verbissenen Sandkastengefechten der Kommissare ganz zu schweigen.