Für immer Sommer": Das klingt nach einem typischen Stoff für den Freitag im "Ersten". Das Handlungsmotiv der neuen Reihe würde allerdings eher zu einem Donnerstagskrimi passen: Sophie Maibach, Polizistin aus der Eifel, hat sich im Rahmen eines Austauschprogramms nach Teneriffa versetzen lassen. Dort betreut sie nun gemeinsam mit einem spanischen Kollegen Kriminalfälle, in die deutsche Staatsbürger verwickelt sind. Sophie ist Surferin, die kanarische Insel ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Paradies, aber sie ist aus einem ganz anderen Grund hier: Vor fünf Jahren ist ihr Vater auf Teneriffa überfahren worden. Die Umstände konnten nie geklärt werden.
Trotz dieses dramatischen Hintergrunds wirkt der Reihenauftakt, "Ein neues Leben", zumindest optisch wie ein typischer Urlaubsfilm: Die Bilder verbreiten mit ihren kräftigen Farben exakt jenes mediterrane Flair, wie es für viele auf den Kanaren und den Balearen entstandenen deutsche Produktionen typisch ist; die RTL-Serie "Der König von Palma" (2022/23) zum Beispiel sah ganz ähnlich aus. Auch das zentrale Duo passt gut zum Sendeplatz: Sophie (Anke Retzlaff) und ihr etwa gleichaltriger Partner müssen sich erst mal aneinander gewöhnen, zumal Álvaro (Félix Herzog) sie für ein Musterexemplar deutscher Gründlichkeit hält; aber es zeigt sich recht bald, dass sie vom gleichen Schlag sind.
Ungewöhnlich für einen Freitagsfilm ist allerdings die Erzählweise: Der Schnitt ist stellenweise irritierend flott. Und natürlich fällt auch der düstere Unterton aus dem Rahmen: Immer wieder schießt Sophie jener Moment durch den Kopf, als ihr Vater in ihren Armen gestorben ist; die nachtblauen Aufnahmen bilden zudem einen kräftigen Kontrast zu den berückend schönen hellen Tageslichtbildern. Sehr berührend sind auch die Zwiegespräche: Vater Bernd (Michael Roll), einst gleichfalls Polizist, bittet sie, endlich loszulassen und nach vorn zu schauen, aber die Tochter will nicht eher ruhen, bis sie rausgefunden hat, wer ihn auf dem Gewissen hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Zeit drängt: Der Fall wird demnächst verjähren. Immerhin glaubt sie zu wissen, wer den Unfallwagen gefahren und sich aus dem Staub gemacht hat: Caro Lüttich (Lana Cooper) betreibt eine Strandbar, ist lesbisch und hält Sophies Avancen für einen Urlaubsflirt. Außerdem ist sie alles andere als unsympathisch, was die Sache nicht leichter macht.
Wie so oft in Reihen dieser Art ist der rote Faden, der sich durch mehrere Episoden zieht, viel interessanter als die jeweils in sich abgeschlossenen Geschichten (Idee: Brigitte Müller, Buch: Aline Ruiz Fernandez, Christine Heinlein). Das Duo von der Gendarmerie ist ohnehin nur für die kleinen Fische zuständig; die interessanten Delikte müssen sie an die Kriminalpolizei übergeben. Aber natürlich lassen die beiden nicht locker, wenn sie sich erst mal festgebissen haben: Eine Frau (Eva-Maria Grein von Friedl) wird verletzt irgendwo in der Einöde gefunden und ohne Gedächtnis ins Krankenhaus eingeliefert.
Sie ist überzeugt, dass ihr Verlobter (Leander Vyvey) sie umbringen wollte. Dank ihres Blicks fürs Detail ahnt Sophie rasch, dass die Amnesie ebenso erfunden ist wie der Mordversuch; dafür stellt sich raus, dass der Mann durchaus Dreck am Stecken hat. Ein zweiter Erzählstrang führt ebenfalls zu einem ganz anderen Verbrechen: Eine Autofahrerin (Anna Herrmann) gesteht, dass sie einen Unfall verursacht hat und einfach weitergefahren ist. Das ist zwar nur die halbe Wahrheit, aber natürlich erinnert der Vorfall Sophie umgehend an den Tod ihres Vaters, weshalb sie zur Verwunderung Álvaros ganz unprofessionell ausrastet.
Regisseur Michael Rowitz hat vor einigen Jahren für die ARD die sehenswerte vierteilige Krimireihe "Über die Grenze" (2017/20) gedreht; auch damals spielte Anke Retzlaff die weibliche Hauptrolle einer jungen Polizistin. Seine jüngste Arbeit zeichnet sich neben der vorzüglichen Bildgestaltung (Roman Nowocien) und dem ausnahmslos guten Ensemble durch eine Besonderheit aus, die für eine Auslandsproduktion der ARD in der Tat ungewöhnlich ist: Während anderswo immer alle Deutsch sprechen, dürfen sich die Einheimischen hier untereinander in ihrer Muttersprache austauschen.
Dass Álvaro beide Sprachen perfekt beherrscht, hat einen einfachen Grund, der in ähnlicher Form auch für Félix Herzog gilt: Er ist in Darmstadt geboren, aber in Spanien aufgewachsen; "Für immer Sommer" ist seine deutsche TV-Premiere. Ein anderes akustisches Merkmal grenzt allerdings an ein Ärgernis: Alle paar Minuten erklingt ein Popsong; das ist dann doch wieder typisch für den Freitag im "Ersten".