Nach gewaltsamen Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer in Dresden werden Rufe nach Konsequenzen zum besseren Schutz demokratischer Kräfte laut. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer "neuen Dimension antidemokratischer Gewalt" und kündigte eine Sonderkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, die Demokratie müsse sich wehrhaft zeigen.
Politiker der demokratischen Parteien reagierten mit Entsetzen auf die Attacken. Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke war am Freitagabend in Dresden-Striesen beim Plakatieren angegriffen und durch Schläge und Tritte schwer verletzt worden. Er ist sächsischer Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl am 9. Juni. Auch ein 28-jähriger Wahlhelfer der Grünen war nahezu zeitgleich im selben Stadtteil beim Aufhängen von Plakaten angegriffen worden. Der Staatsschutz geht von derselben Tätergruppe aus.
17-Jähriger hat sich gestellt
Nach dem Angriff auf Ecke hatte sich ein mutmaßlicher Täter gestellt. Wie das Landeskriminalamt Sachsen in Dresden mitteilte, meldete sich in der Nacht zu Sonntag ein 17-Jähriger auf einem Dresdner Polizeirevier. Er habe mitgeteilt, dass er der Täter sei, der den SPD-Politiker niedergeschlagen habe. Der Jugendliche sei bisher noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Zu weiteren Tatverdächtigen dauerten die Ermittlungen an.
Bundespräsident Steinmeier erklärte am Samstag in Berlin, es sei unerträglich, wenn Vertreter von Verfassungsorganen, Europawahlkämpfer oder kommunale Amtsträger bei ihrer demokratischen Arbeit angegriffen, behindert oder sogar geschlagen und verletzt werden. "Dieser Ausbruch von Gewalt ist eine Warnung: Alle, die unsere liberale Demokratie erhalten möchten, müssen nun parteiübergreifend zusammenstehen gegen Angriffe und Übergriffe im politischen Wettbewerb", mahnte der Bundespräsident.
"Wir müssen die Täter stoppen"
Faeser kündigte an, auf einer Sonderkonferenz der Innenminister solle über "ein gemeinsames Maßnahmenpaket für noch mehr Präsenz der Polizei vor Ort, mehr Schutz und ein hartes Durchgreifen gegen die Feinde der Demokratie" beraten werden. "Der Rechtsstaat muss und wird den Schutz der demokratischen Kräfte in unserem Land weiter erhöhen", sagte sie der "Bild am Sonntag". "Wir müssen die Täter stoppen - und die Brandstifter, die unsere Demokratie in Brand setzen wollen. Wir werden keinen Millimeter zurückweichen."
Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), forderte Konsequenzen aus den Gewalttaten. Die Innenminister von Bund und Ländern müssten zügig darüber beraten, "wie sie auf diese wachsende Bedrohung mit Augenmaß reagieren und ob ihre Sicherheitskonzepte für Wahlkampfzeiten verstärkt werden müssen", sagte er dem "Handelsblatt".
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nannte den Angriff auf den SPD-Europapolitiker Ecke "erschreckend". Die Attacken auf Wahlkampfhelfer und Politiker seien "Angriffe auf unsere Demokratie, auf unsere Republik", sagte der Wirtschaftsminister. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nannte den Angriff auf Ecke erschütternd: "Jeder kann der nächste sein", sagte der FDP-Chef dem Berliner "Tagesspiegel".
Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil verurteilten den Angriff und erklärten: "Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern." Die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, erklärte: "Die Angriffe auf Wahlkämpfende sind ein Angriff auf die Demokratie."
Auch in der evangelischen Kirche lösten die Gewalttaten Entsetzen aus. Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, rief dazu auf, für die Demokratie und eine offene Gesellschaft einzustehen. "Wenn Menschen gleich welcher Partei im Wahlkampf angegriffen und verletzt werden, dann ist das ein Schlag gegen unsere Demokratie, der uns alle trifft", erklärte sie am auf der Internetplattform Threads.
Zuvor hatte es eine Attacke gegen zwei Grünen-Politiker in Essen gegeben. Der Staatsschutz ermittelt nach dem Vorfall am Donnerstagabend. Unbekannte hätten den dritten Bürgermeister von Essen, Rolf Fliß, und den Bundestagsabgeordneten Kai Gehring zunächst beleidigt, erklärte die Polizei Essen am Freitagabend. Fliß sei durch einen Schlag ins Gesicht leicht verletzt worden.