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2. Mai, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wien-Krimi – Tod im Kaffeehaus"
Der Titel "Tod im Kaffeehaus" ist irreführend: Todesfälle gibt es in diesem Krimi durchaus; aber die Betroffenen sterben anderswo.

Das Wiener Kaffeehaus, schrieb der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig einst in seinen Memoiren, stelle eine Institution besonderer Art dar, "die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist." In diesen Cafés lebt eine Tradition längst vergangener Zeiten fort, weshalb sie neben ihrer mondänen Eleganz auch ein gewisses morbides Flair durchweht. Der Titel "Tod im Kaffeehaus" ist trotzdem irreführend: Todesfälle gibt es in diesem Krimi durchaus; aber die Betroffenen sterben anderswo. Davon abgesehen entspricht der zehnte "Wien-Krimi" gerade auch handwerklich der außerordentlichen Qualität, mit der "Blind ermittelt" 2018 gestartet ist. David Nawrath hat damals den dritten Film inszeniert, "Das Haus der Lügen" (2019), der dieses Niveau allerdings nicht halten konnte. Seine zweite Arbeit für die Reihe ist nicht zuletzt dank der exzellenten Bildgestaltung umso sehenswerter. 

Die Handlung beginnt mit einer fesselnd gefilmten und rasant geschnittenen Sequenz, die mit einem Vermächtnis endet. Ein Mann wird ins Krankenhaus eingeliefert, verlangt nach Alexander Haller (Philipp Hochmair) und teilt dem erblindeten ehemaligen Polizisten mit letzter Kraft mit: "Du musst sie beschützen" und "Lass’ sie nicht hinschauen!" Haller hat allerdings keine Ahnung, worauf sich diese Bitten beziehen. Martin Scherf war früher Polizist, hat sich dann als Privatdetektiv selbstständig gemacht und die letzten zehn Jahre in Haft verbracht: weil er angeblich seine Ex-Freundin, eine "Escortdame" für Herren aus besseren Kreisen, aus Eifersucht ermordet hat. Haller hat die Ermittlungen damals aus Gründen der Befangenheit dem mittlerweile pensionierten Kollegen Bollinger (Martin Brambach) überlassen. Der erinnert sich an einige Ungereimtheiten, aber Scherf war geständig und der Fall somit rasch abgeschlossen. Bei ihren Nachforschungen finden Haller und sein Augenersatz Niko Falk (Andreas Guenther) heraus, dass Scherf eine dreizehnjährige Tochter hat. Kurz vor seinem Tod hat er der in einem Heim aufgewachsenen Luna einen Brief mit dem Hinweis auf sein Vermächtnis geschickt: Ein Bankschließfach enthält Bildmaterial, das einige Honoratioren in erhebliche Schwierigkeiten bringen könnte. Einer der Filme beweist zudem seine Unschuld. Der Stadtrat, der dies bezeugen könnte, ist jedoch bei einem vermeintlichen Reitunfall ums Leben gekommen. 

Luna spielt im Wortsinne eine Schlüsselrolle in dieser Geschichte, sie ist die Person, die Haller beschützen soll; entsprechend wichtig war ihre Besetzung. Die junge Chiara Bauer-Mitterlehner emanzipiert sich recht bald vom Klischee "zorniger Teenager" und behauptet sich erfolgreich zwischen Hochmair und Guenther. Dass Luna Falk austrickst und mehr als nur einen Blick auf das kompromittierende Material erhascht, führt zu einem ersten Streit zwischen den beiden Freunden, auf den bald darauf, als der eine dem anderen die Schuld an der Flucht eines Verdächtigen gibt, der vermeintlich endgültige Bruch erfolgt. "Eine Frage der Freundschaft" lautete der Arbeitstitel des Drehbuchs, das Nawrath gemeinsam mit Paul Florian Müller geschrieben hat.

Neben der jederzeit fesselnden Handlung, die immer wieder für Überraschungen sorgt, zumal im Hintergrund auch noch eine "Kaffeehauskönigin" (Nadeshda Brennicke) mitmischt, lebt der zudem sehr gut geschnittene Film nicht zuletzt von interessanten Schauplätzen. Dazu zählen neben einem Dampfbad, in dem es zu einer skurrilen Verfolgungs-"Jagd" kommt, auch diverse Lokale. Gleich zu Beginn gibt es einen optisch reizvollen Kontrast zwischen dem in warmes Licht getauchten luxuriösen Restaurant, in das Haller seinen Angestellten eingeladen hat, und der kalten blaugrünen Beleuchtung im Krankenhaus. Scherf hat nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis auffallend viel Zeit in verschiedenen Cafés verbracht. Die Kameraarbeit (Tobias von dem Borne) zeichnet sich jedoch nicht nur durch das jeweils passende Licht aus. Kippende Achsen verdeutlichen zudem Hallers Gemütszustand: Der Sonderermittler macht sich Vorwürfe, dass er sich damals aus den Ermittlungen rausgehalten hat. Falk hat dafür ohnehin kein Verständnis: "weil Freunde füreinander da sind, egal was passiert." Optisch reizvoll ist auch die Umsetzung der Visionen Hallers von den Tathergängen: Bei der Rekonstruktion des Überfalls auf Scherf in einem billigen Hotelzimmer wandeln sich die Bilder in eine Art Infrarotaufnahme, durch die schemenhaft das Opfer geistert. Zur Undurchsichtigkeit der Geschichte passt schließlich das Finale, bei dem die Beteiligten vor lauter Nebel kaum die Hand vor Augen sehen können.