Anlässlich des Wahljahres 2024 setzen die Landeskirche EKBO und die Diakonie ein klares Zeichen für eine lebendige Demokratie. Mit der Kampagne "Zusammen streiten" und zahlreichen weiteren Angeboten für Kirchengemeinden und Mitarbeitende diakonischer Einrichtungen machen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) deutlich: Ein autoritäres System löst keine gesellschaftlichen Probleme.
In der von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) organisierten Diskussion am Dienstabend unter der Überschrift "Was für ein Volk?! Kirche und Gesellschaft im Osten - 35 Jahre nach der friedlichen Revolution" sagte der Ostbeauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Schneider, in der Kirche träfen sich noch verschiedene Milieus. Das sei mittlerweile selten, betonte Schneider bei der Podiumsdiskussion mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg und dem Pfarrer und Autor Justus Geilhufe aus dem sächsischen Großschirma..
Teuteberg nannte es wichtig, vor einer Wahl der AfD zu warnen. Die brandenburgische Bundestagsabgeordnete äußerte sich indes kritisch zur jüngsten Erklärung der EKBO zur Unvereinbarkeit einer AfD-Mitgliedschaft mit Kirchenämtern. Religionen müssten besonderen Respekt vor dem jeweils anderen vermitteln.
Der Ostbeauftragte Schneider begrüßte dagegen den Ausschluss von AfD-Mitgliedern von kirchlichen Ämtern in der Berlin-brandenburgischen Landeskirche. Er äußerte jedoch Zweifel, dass damit Bürgerinnen und Bürger davon abgehalten werden, die AfD zu wählen.
Die FDP-Abgeordnete Teuteberg begrüßte ihrerseits kirchliche Angebote wie Diskussionen zu kontroversen Themen in den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen im September ein neuer Landtag gewählt wird. Diese Angebote seien wichtig, könnten aber nicht kurzfristig Änderungen der politischen Stimmung herbeiführen.
Pfarrer Geilhufe sprach von einer atheistischen Gesellschaft in Ostdeutschland, die so "entkirchlicht" sei, dass gewisse Dinge wie "normale Gespräche über alltägliche Themen" nicht mehr funktionierten. Die Kirchen in Sachsen organisierten daher niedrigschwellige Veranstaltungen. Themen seien etwa Waffenlieferungen an die Ukraine oder die Frage "Sind wir noch Bürger oder schon Untertanen?" Dabei würden sich Menschen bewusst, dass "in der aufgeheizten Stimmung Bilder vom anderen entstanden sind, die Hass erzeugen". Dennoch kämen sie miteinander ins Gespräch.
Kampagne von Kirche und Diakonie zum Wahljahr 2024
Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz betonten bei der Ankündigung ihrer gemeinsamen Kampagne vor zwei Tagen: "Nur wenn wir miteinander reden, im guten Sinne miteinander streiten und nach Lösungen suchen, können wir etwas verändern. Nichtwählen und Protestwählen sind keine Alternativen. Unsere Demokratie braucht jetzt jede Stimme."
Mit der Kampagne bieten EKBO und das DWBO diakonischen Einrichtungen, Kirchenkreisen und -gemeinden Materialien wie Banner, Plakate, Arbeitsmaterialien und Give-Aways an, mit denen sie Haltung zeigen und zum Gespräch einladen. Außerdem würden seit März 2024 an Brandenburger und Berliner Orten für interessierte Mitarbeitende von Kirche und Diakonie Moderatoren-Trainings durchgeführt, die Argumentationshilfen für kontroverse Debatten böten.
Bischof Christian Stäblein erklärte: "Kriege, Klimawandel, Migration, Kostensteigerungen und Energiekrisen sorgen für eine große Verunsicherung. Unmut, Hass, Ausgrenzung und Gewaltbereitschaft drohen die Gesellschaft zu spalten." Daher sei Zusammenhalt überaus wichtig "für eine gute und friedliche Entwicklung in unserem Land. Die Demokratie ist ein hohes Gut. Das wird uns erst so richtig bewusst, wenn sie in Gefahr ist. Unsere Leidenschaft für Demokratie wird gebraucht! Wir dürfen nicht blind sein, wo ausgegrenzt und entwürdigt wird. Jeder Mensch hat von Gott und vor Gott die gleiche Würde. Dafür stehen wir ein."
Diakonie-Direktorin Ursula Schoen betonte, 25 Prozent der Brandenburger:innen "möchten Ihre Stimme aktuell einer Organisation geben, deren Spitzenkandidat sich offen für die Abschaffung des demokratischen Parteiensystems ausgesprochen hat". Immer mehr Menschen wünschten sich radikale Lösungen, würden dafür menschenfeindliche Ausgrenzung und teils erhebliche persönliche Nachteile wie die Beschränkung der Kinderbetreuung und Abschaffung von Sozialleistungen in Kauf nehmen.
Schoen fügte hinzu, in der täglichen sozialen Arbeit "unserer diakonischen Angeboten von Krankenhaus über Schuldner- und Familienberatung bis zur Geflüchtetenarbeit erleben wir die Gründe: Ängste vor der Zukunft, vor fremden Menschen, dem Abgehängtsein, vor Einsamkeit." Es müsse verhindern werden, dass aus dem "Blasendenken" eine tiefe gesellschaftliche Spaltung entstehe.
Mit der Kampagne Zusammen streiten und zahlreichen anderen Angeboten sollen die Gesprächskanäle wieder geöffnet werden - "für eine solidarische Gesellschaft, die auf Zusammenhalt statt Spaltung setzt. Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, hängt jetzt von uns allen ab."