Shirley Maclaine entsprach nie dem Muster "klassische Hollywoodschönheit", eher war sie ein Mädchen von nebenan - nett und kampfbereit. Und das ist aus ihrer Sicht ein absolutes Plus: "Da ich nie eine von diesen betörenden Hollywood-Beautys war, habe ich mich sehr schnell darauf besonnen, gute Rollen an Land zu ziehen. Und so bin ich wohl das geworden, was man eine Charakterschauspielerin nennt", sagte sie vor einigen Jahren der "Neuen Westfälischen".
Am 24. April wird die Schauspielerin 90 Jahre alt, und sie verkörperte in ihrer langen Karriere viele Rollen: Prostituierte, Nonne, Tänzerin, Arbeiterin, Lehrerin, Modeschöpferin, Mutter, Großmutter. In der Komödie "Bruno" (2000) führte sie auch Regie.
Berühmt wird sie als junge Darstellerin für ihr Lächeln, ihre Neugier, ihre Selbstironie und den Witz, mit dem sie schwierige Situationen meistert. Die kurzen roten Haare, der so liebevolle wie kesse Blick sind ihre Markenzeichen.
In Billy Wilders "Das Mädchen Irma la Douce" (1963) ist sie eine Prostituierte, in "Ein Fressen für die Geier" (1970) eine Nonne, an der Seite von Clint Eastwood. Ihre Fahrstuhlführerin Fran in Billy Wilders Komödie "Das Appartement" (1960) gestaltet sie als anrührende Figur: MacLaine mischt wunderbar Schwermut mit Witz, auch in dramatischen Situationen. Das gelingt ihr genauso in William Wylers starkem Schwarzweißdrama "Infam" (1961), in dem sie als Lehrerin an der Seite von Audrey Hepburn gegen üble Nachrede kämpft, voller Verzweiflung, bis zum Suizid.
1983 beeindruckt sie in "Zeit der Zärtlichkeit", einer Komödie mit tragischen Zügen, als eigensinnige Mutter von Debra Winger. Dafür wird sie mit einem Oscar ausgezeichnet.
Shirley Maclean Beaty kam 1934 in Richmond in Virginia zur Welt, ihre Mutter war Schauspiellehrerin. Früh änderte sie den Nachnamen Maclean zu MacLaine, während ihr drei Jahre jüngerer Bruder Warren sich Beatty mit zwei "t" nannte - auch er ist heute ein Schauspielstar.
Hitchcock holt sie für schrille Komödie "Immer Ärger mit Harry"
Schon als Dreijährige bekommt Shirley Ballettstunden, mit 18 Jahren geht sie als Tänzerin nach New York. Als sie am Broadway in dem Musical "The Pajama Game" auf der Bühne steht, wird Alfred Hitchcock auf sie aufmerksam, und er setzt sie in seiner schrillen Komödie "Immer Ärger mit Harry" (1955) ein. Mit Erfolg, MacLaine bekommt einen Golden Globe als beste Nachwuchsdarstellerin. Unzählige Auszeichnungen sollten folgen, darunter ein Oscar, sechs Golden Globes, eine Goldene Kamera und zwei Silberne Bären.
Mit gerade mal 20 Jahren heiratet sie den Produzenten Steve Parker, wird 1956 Mutter einer Tochter, Stephanie Sachiko Parker, die im Wesentlichen beim Vater aufwächst. Shirley MacLaines Liebesaffären, etwa mit Robert Mitchum, sind legendär. Politisch engagierte sie sich in den 1960er Jahren für Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg, sie war auch in der Frauenbewegung aktiv.
"Unbändiges Verlangen, die Wahrheit zu sagen"
Mittlerweile sind die roten Haare längst ergraut. Shirley MacLaine steht zu ihrem Alter. Und sie übernimmt gern Rollen, die dazu passen. In der Fantasy-Komödie "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" (2013) glänzt sie als Mutter von Hauptdarsteller Ben Stiller. Zuvor mimte sie in "Bernie - Leichen pflastern seinen Weg" (2011) eine reiche Witwe und in "Valentinstag" eine glücklich verliebte Großmutter.
2012 ist sie in zwei Episoden der britischen Kult-Serie "Downton Abbey" als amerikanische Tante zu sehen und 2016 spielt sie in "Himmlische Weihnachten" einen Engel, der wieder zum Menschen wird und einem Trauernden hilft. Da ist sie schon über 80.
Sichtlichen Spaß hat sie im Jahr drauf in der schrägen Komödie "Zu guter Letzt": Shirley MacLaine ist die Witwe Harriet, die noch zu Lebzeiten einen Nachruf auf sich in Auftrag gibt, der bitteschön ihren Ansprüchen genügen soll. Das Problem für die Journalistin, die den Nachruf schreiben soll: Keiner spricht positiv über die harsche Dame. Harriet sei ein Sturkopf, der erfolgreich sein Ding durchziehe, so beschrieb MacLaine sie. Über sich selbst sagte sie: "Ich habe dieses unbändige Verlangen, die Wahrheit zu sagen."
Seit den 1970er Jahren schreibt sie auch Bücher, ihre Autobiografie trägt den Titel "Raupe mit Schmetterlingsflügeln". Viele ihrer mittlerweile 16 Werke behandeln spirituelle und esoterische Themen, etwa "Der Jakobsweg: eine spirituelle Reise" (2001), ein Buch, das Hape Kerkeling zu seiner Jakobswegwanderung inspiriert haben soll. MacLaine gilt als exzentrisch, mit einer intensiven Neigung zur Spiritualität. Sie glaubt fest an die Reinkarnation.
"Ich bin dem Schicksal gegenüber frei von Furcht", sagte sie 2019 der "Frankfurter Rundschau": "Solange es Hunde und gute Komödien in meinem Leben gibt, solange bin ich glücklich."