Sie haben sich in den vergangenen Tagen über 20 Filme angesehen. Am Ende vergeben Sie und Ihre Jury-Kollegen den Filmpreis für Interreligiösen Dialog an "Philomena“. Warum dieser Film?
###mehr-personen### Werner Schneider-Quindeau: "Philomena“ ist an sich ein Dialog, ein Dialog zwischen einer streng katholischen, irischen Dame und einem Atheisten, der der Kirche mehr als skeptisch gegenübersteht.
Der Film beschreibt - ganz grob - die Suche einer Mutter nach ihrem Kind.
Schneider-Quindeau: "Philomena" ist so viel mehr! Eine fantastische Judy Dench spielt die Hauptrolle. Damals in den 50er Jahren, kam sie als 16-Jährige in ein Heim für "gefallene Mädchen“, geleitet von irischen Nonnen. Die war es es auch, die ihr den Sohn wegnahmen und gegen ihren Willen nach Amerika zur Adoption verkauften. 50 Jahre später nagt an ihr doch die Frage, was mit ihrem Jungen geschehen ist. Also macht sich Dench auf Spurensuche, begleitet von einem Journalisten (gespielt von Steve Coogan), der diese Story eigentlich nur an die Boulevard-Presse verkaufen will.
Was finden die beiden?
Schneider-Quindeau: Ihre Suche führt sie nach Amerika. Dort finden Mutter und Journalist heraus, dass der Sohn Karriere gemacht hat als Abgeordneter für die republikanische Partei, im Repäsentantenhaus saß und als Mitarbneiter von Präsident Reagan gearbeitet hat.
Und in Washington fallen sich Mutter und ihr verlorener Sohn in die Arme und lebten glücklich bis ...
Schneider-Quindeau: Der Sohn ist schon lange an Aids gestorben. Er war schwul. Und die Mutter trifft nur noch auf seinen Lebensgefährten, der ihr seine Geschichte erzählt. Ein schwuler Konservativer, eine streng katholische Mutter. Auch hier spielt "Philomena“ ein Hohelied auf die Toleranz.
Wie steht es mit der Toleranz der Titelheldin gegen die katholische Kirche, die ihr das Kind damals wegnahm?
"Mit Vergebung gegen Niedertracht und Lügen"
Schneider-Quindeau: Auch das ist wunderbar mitanzusehen. Der atheistische Journalist erwartet stets Wut und Hass von Seiten der Mutter gegen die kalte Kirche, oder wenigstens die verbrecherischen Nonnen im Heim. Sie trifft auf Lügen, Niederstracht und Widerstände – und verzeiht. Sie hält fest an ihrem Glauben und Respekt vor Nonnen und Priestern.
Da ist auch noch die dritte Seite, der Journalist und Atheist, verkörpert vom bekannten Filmkomiker Steve Coogan.
Schneider-Quindeau: "Philomena“ ist ein sehr bewegender Film. Er ist keineswegs ein antireligiöser Feldzug gegen die katholische Kirche. Frears - als der großartige Erzähler, der er ist - richtet seinen Fokus auf Dench und Coogan, auf diese zwei Seelen. Dieses "Duell“ zwischen irischer Omi und abgeklärtem Journalist steht im Zentrum des Films. Und das spiehelt wunderbar die Realität. Denn nicht nur die Religionen untereinander müssen im Dialog stehen, sondern die Religionen auch mit denen, die nicht glauben. Sich auf diesen Dialog einzurichten, ist die Herausforderung der Kirchen. In Frankfurt, wo meine Gemeinde liegt, ist die Hälfte der Einwohner nicht gläubig. Die Hälfte! Mit diesen Menschen in einen Dialog zu treten, damit sind alle Religionen konfrontiert. Am Ende sollte auf beiden Seiten Respekt stehen.
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Wo stehen die Mutter und ihre Begleitung, der Journalist am Ende ihrer Reise?
Schneider-Quindeau: Wieder in Irland. Im Garten des Heims, in dem alles begann und wo die Wege von Mutter und Sohn so grausam getrennt wurden. Dort im Klostergarten liegt der Sohn begraben, der sich schwerkrank kurz vor seinem Tod mit wenigen Informationsbruchteilen über seine Herkunft, aufgemacht hat, seine Mutter zu suchen. Doch selbst in dieser Situation verweigerten die Nonnen ihm jegliche Auskunft zu seiner Mutter.
INFO: "Philomena" ab 27. Februar 2014 in den deutschen Kinos.