Pfleger einer an Multipler Sklerose erkrankten Patientin
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Diakonie beklagt einen massiven Mangel an Heilerziehungspflegern (HEP) und anderen Inklusions-Fachkräften in der Behindertenhilfe.
Behindertenhilfe in Not
Bündnis warnt vor Personalmangel
In Hessen warnt ein Bündnis aus mehr als zwei Dutzend Verbänden, Fachschulen, Vertretungen und sozialen Einrichtungen vor dem massiven Mangel an Heilerziehungspflegern (HEP) und anderen Inklusions-Fachkräften in der Behindertenhilfe.

"Landesweit fehlen rund 3.000 Fachkräfte, in Hessen werden dieses Jahr aber nur unter 300, in Rheinland-Pfalz sogar nur unter 200 Personen ihre HEP-Ausbildung abschließen", sagt Thorsten Hinz, Vorstand der Nieder-Ramstädter Diakonie und Mitinitiator des Bündnisses, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Situation verhindere Inklusion. Es drohe eine Unterversorgung, mahnt das Bündnis in einer Mitteilung. 

Schon heute führe der Personalmangel dazu, dass in der Behindertenhilfe immer stärker auch Pflegekräfte oder Erzieher eingesetzt werden müssten, sagt Hinz. In manchen Sozialunternehmen machten diese bereits 20 bis 40 Prozent der Fachkräfte aus. In jenen Ausbildungen gebe es aber andere Schwerpunkte als in der Behindertenhilfe, weshalb fehlende Kenntnisse erst über viele Berufsjahre oder interne Fortbildungen aufgeholt werden müssten. "Gerade in der Behindertenhilfe sind spezifische Qualifikationen dringend notwendig", sagt der Vorstand. Bei vielen anderen Unternehmen wiederum sei die Lage so ernst, dass Angebote geschlossen oder verkleinert werden müssten.

Auch die Nieder-Ramstädter Diakonie hätte mehr als 100 Bewerber auf Wohnangebote, die nicht bedient werden könnten. Ein Problem sei der demografische Wandel: "Viele Sozialunternehmen haben eine überalterte Belegschaft, wobei in den kommenden Jahren noch eine Zuspitzung droht. Die Heilerziehungspflege trocknet aus - und wird ausgetrocknet." Schwierig sei etwa, dass das Berufsbild und die Ausbildung in jedem anderen Bundesland anders strukturiert sei. "In Hessen dauert der Weg eines HEP in Ausbildung im schlimmsten Fall sechs Jahre", sagt Hinz. Auch dass bei der rein schulischen Qualifizierung immer noch ein Schulgeld zu zahlen sei, "ist der heutigen Zeit nicht mehr angemessen".

Für Hinz und das Bündnis ist klar: "Das Berufsbild muss attraktiver gemacht, außerdem sollte dringend in die Ausbildung investiert werden. Wichtig ist aber auch der globale Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Ohne Einwanderung wird es nicht gehen", sagte der Vorstand. Etwa bei der Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse müsse Bürokratie abgebaut werden. Auch, dass das Abitur aus bestimmten Staaten in Deutschland mit einem Hauptschulabschluss gleichgesetzt werde, sei problematisch. 

Mehr finanzielle Unterstützung wünscht sich der Vorstand zudem bei der Anwerbung neuer Azubis aus dem Ausland. "Bis ein Kandidat am Flughafen in Frankfurt landet, ist mit 5.000 bis 10.000 Euro zu rechnen, etwa für Sprachkurse, Vermittlungsgebühren, Zertifizierungen und Einreisekosten. Dann kommen hierzulande die Unterbringung, Verpflegung, Mobilität und Ähnliches hinzu", erläutert Hinz.

Das Bündnis lädt am 25. April zu einem Protest auf dem Kranzplatz vor der Staatskanzlei in Wiesbaden ein. Den Angaben zufolge lebten im Jahr 2022 allein in Hessen rund 587.000 schwerbehinderte Menschen, von denen jedoch nicht alle auf Unterstützung angewiesen sind. Bundesweit bräuchten etwa eine Million Menschen die Hilfe von HEPs und anderen Inklusionsprofis.