Früher war Franziska Clemen Lehrerin. Die heute 43-Jährige unterrichtete Geschichte und Französisch an einem Gymnasium in Offenburg. Aber durch ihr ehrenamtliches Engagement im Konfi-Unterricht spürte die Mutter von zwei Kindern: "Da gibt es noch mehr, den Traum Theologie zu studieren." Und als sie entdeckte, dass die Universität Marburg einen berufsbegleitenden Master-Studiengang "Evangelische Theologie" anbietet, begann sie, ihren Traum zu leben.
Anschließend fing sie ein Lehrvikariat in der Evangelischen Landeskirche in Baden an. Ein Vikariat, ungefähr vergleichbar mit dem Referendariat für Juristen, ist notwendig, um Geistlicher zu werden. Nun sitzt sie im Evangelischen Studienseminar Morata-Haus in Heidelberg und diskutiert mit zehn anderen Vikaren über das Thema "Leitung und Macht in der Pfarrerrolle". Seminarleiterin Monika Lehmann-Etzelmüller sagt: "Wir haben genug Pfarrer-Nachwuchs, aber es könnten auch mehr sein."
Lehmann-Etzelmüller hält mit Kirchenrätin Sibylle Rolf, Leiterin der Abteilung Theologische Ausbildung und Prüfungsamt, am Dienstag (16. April) auf der Tagung der badischen Landessynode einen Vortrag zur Gewinnung und Ausbildung des theologischen Nachwuchses. Sie sagt dazu: "Meiner Beobachtung nach, entscheiden sich junge Menschen für ein Theologiestudium, weil sie tolle kirchliche Jugendarbeit erlebt haben - einen schönen Konfirmanden- oder Religionsunterricht." Oder weil sie über die Kirchenmusik in Kontakt mit der Kirche gekommen seien.
Dass Menschen in den Pfarrdienst treten, weil ihre Eltern bereits Geistliche sind, sei seltener geworden. Um möglichst viele junge Menschen auf den Beruf aufmerksam zu machen, biete die Landeskirche verschiedene Info-Tage oder Stände auf Berufsmessen an.
Aufgabe für alle, den Nachwuchs zu gewinnen
Zudem sei es wichtig, dass die Theologiestudenten während des Studiums Kontakte zur Landeskirche haben. "Damit sie danach den nächsten Schritt in der Ausbildung, das Vikariat machen, und nicht in andere Berufsfelder, etwa Verwaltung oder Journalismus abwandern", erläutert Lehmann-Etzelmüller. Sie betont, dass die Nachwuchs-Gewinnung eine Aufgabe für alle sei: "Wir, in der theologischen Ausbildung, können nicht das eine große Event anbieten, um zukünftige Pfarrer zu erreichen", sagt sie. "Wir brauchen als Kirche eine gemeinsame Anstrengung und Perspektive, um Menschen für diesen schönen Beruf zu begeistern."
Das Lehrvikariat dauert 24 Monate, kann aber in Teilzeit auch auf 48 Monate verlängert werden. Während der Ausbildung verbringen die Vikare über das Jahr verteilt 19 Wochen im Morata-Haus und vertiefen sich in die Module "Schule und Gemeindepädagogik", "Gottesdienst", "Seelsorge" und "Leitung/Pastorale Identität". Zudem gibt es einen fünften Bereich, in dem Workshops angeboten werden. Dazu gehört beispielsweise das Thema Zeitmanagement, Stimmtraining oder soziales Kompetenztraining. In den anderen Wochen des Jahres üben sie sich darin, in der Schule Religionsunterricht zu geben oder Gottesdienste in ihrer Lehrgemeinde zu entwickeln.
Clemen ist Lehrvikarin in Appenweier im Ortenaukreis. Sie sagt, besonders gefalle ihr am Lehrvikariat die Verzahnung von Theorie und Praxis. Im September wird sie ordiniert werden, dann kann sie als Pfarrerin im Probedienst loslegen. "Ich freue mich darauf, Menschen unterschiedlicher Altersgruppen begleiten zu können", sagt sie. Gerade in den Umbruchphasen möchte sie "ganz nah an das Leben rankommen." Und sie nehme schon jetzt aus ihrem Vikariat die Erfahrung mit, Glauben neu entfachen zu können.