Der Bischof der Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) in Deutschland, Harald Rückert, freut sich darauf, "die Kirche der Zukunft mitzugestalten", sagt er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Der EmK gehören in Deutschland rund 45.000 und weltweit rund zwölf Millionen Christinnen und Christen an. Die Freikirche ist aus einer Erweckungsbewegung in England im 18. Jahrhundert hervorgegangen. Sie betont verbindlichen Glauben und soziales Engagement.
epd: Vom 23. April bis 3. Mai tagt in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina das weltweit höchste Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Die Generalkonferenz musste coronabedingt mehrfach verschoben werden. Was ist das Hauptziel dieser Konferenz?
Harald Rückert: Seit 2019 ist die Bereitschaft gewachsen, sich als weltweite Kirche neu auszurichten. Wir möchten die historisch bedingten Abhängigkeiten von den USA abschütteln, alle Teile der Kirche sollen sich weltweit gleichberechtigt aufstellen. Das ist eine organisatorische, aber auch eine inhaltliche Frage. Diese Ausrichtung auf eine weltweite Kirche wird befördert durch ein großes Beschlusspaket, das sich weltweite Regionalisierung ("worldwide regionalization") nennt.
Themen wie Homosexualität oder Ehe werden in Evangelisch-methodistischen Kirchen der Welt unterschiedlich ausgelegt, was immer mit Spannungen verbunden war. Eine Neufassung der sogenannten Sozialen Grundsätze - eines der grundlegenden Dokumente Ihrer Kirche - soll global relevanter sowie theologisch fundierter sein, eine Art ethisch-religiöse Leitplanke. Was hat es damit auf sich?
Rückert: Ja, die seit Langem in Arbeit befindliche Überarbeitung der Sozialen Grundsätze liegt jetzt vor. Diese sollen wieder stärker den Charakter von theologischen Grundsätzen bekommen. Bislang war der US-amerikanische Kontext und auch der US-rechtliche Kontext zu stark in diesen Sozialen Grundsätzen verankert. Jetzt liegt eine Überarbeitung vor, die dem weltweiten Charakter mehr entspricht. Die Aussagen sind komprimierter und grundsätzlicher und können in den Regionen der Welt jeweils kontextuell konkretisiert werden.
"Erst die Trennung wird uns die Freiheit geben, uns in die Zukunft zu entwickeln."
Im Mai 2022 hatte sich die konservative und traditionalistische "Global Methodist Church" gegründet, eine Abspaltung von der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Trennung resultiert hauptsächlich aus einem seit Jahrzehnten anhaltenden Streit über den Umgang mit Homosexualität. Welche Rolle spielt dieser Vorgang auf der Generalkonferenz?
Rückert: Der Prozess der Trennung, der bereits seit einiger Zeit im Gange ist, soll zu einem Abschluss kommen. Nur so können wir frei werden für die Zukunft. Dieser Abschluss der Trennung soll möglichst in einer respektvollen und einigermaßen friedlichen Weise vonstattengehen. Erst die Trennung wird uns die Freiheit geben, uns in die Zukunft zu entwickeln. Und es wird gleichzeitig den Geschwistern, die die Kirche verlassen haben, die Freiheit geben, ihre Kirche oder ihre Art des Zusammenseins neu zu organisieren.
Welche Auswirkungen hat das alles für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland?
Rückert: Ich denke, wir haben unsere Hausaufgaben bereits erledigt. Wir sind natürlich Teil der weltweiten Kirche und deswegen auch an die Beschlussfassungen gebunden. Gleichzeitig haben wir bei unserer Zentralkonferenz im Jahr 2022 schon im Rahmen der Adaptionsmöglichkeiten, die uns zustehen, einen Weg beschritten, um in Vielfalt beieinanderzubleiben. Die vergangenen vier Jahre haben uns in Deutschland gelehrt, dass das gelingt. Diesen Weg möchten wir im Rahmen unserer weltweiten Verbundenheit beibehalten. Deswegen bin ich im Blick auf die Auswirkungen für Deutschland relativ entspannt.
Sie sprechen den deutschen Sonderweg an, der eine Spaltung verhinderte. Die Gründung des sogenannten Gemeinschaftsbunds der Evangelisch-methodistischen Kirche gilt als großer Erfolg, weil damit in Deutschland die Einheit bewahrt werden konnte. Im Gemeinschaftsbund sind die traditionellen Positionen in sexualethischen Fragen beheimatet, konservative und liberale methodistische Christen konnten so unter dem Dach der EmK bleiben. Besteht eine Chance, das deutsche Modell auf Weltebene umzusetzen?
Rückert: Man kann unseren Prozess nicht einfach kopieren. Allerdings bin ich häufig von Bischofskollegen aus allen Teilen der Welt daraufhin angesprochen worden. Ich hatte auch die Gelegenheit, unser Modell unserem Bischofsrat zu präsentieren. Das hat große Aufmerksamkeit gefunden. Wir sind dazu auch beglückwünscht worden. Gleichzeitig ist es so, dass die Art und Weise, wie wir das in Deutschland gemacht haben, eng mit unserer Kultur, mit unserer Art des theologischen Ringens und Streitens zu tun hat. Die Rahmenbedingungen in anderen Teilen der Welt sind einfach andere.
Wie optimistisch sind Sie, dass die Einheit auf Weltebene weitgehend bewahrt werden kann, auch wenn zahlreiche Mitglieder die Evangelisch-methodistische Kirche voraussichtlich verlassen werden?
Rückert: Also, diejenigen, die sich bereits innerlich entschlossen haben zu gehen, die sollen in Frieden gehen dürfen; ich wünsche sehr, dass sie umgekehrt auch innerlich Frieden schließen können mit denen, die bleiben. Bei denjenigen, die bewusst bleiben, ist der Wille, beieinanderzubleiben und einander Freiräume zu gewähren, sehr, sehr groß. Ich freue mich darauf, die Kirche der Zukunft mitzugestalten.