Celeste ist gut ausgelastet. Vor dem Sprachassistenten in Form eines betenden Engels hat sich eine kleine Schlange gebildet. Der Gesprächs- oder besser Gebetsbedarf scheint groß zu sein. Celeste - "der Himmlische" - ist ein Prototyp, der bei Bedarf mit seinen Gesprächspartnern betet oder ihnen ein Wort der Ermutigung ausdruckt. Zugegeben: Noch spricht er etwas gestelzter als seine säkularen Kolleginnen Alexa oder Siri. Aber er ist gefragt.
Dass es auch in kirchlichen Kreisen ein Interesse an Künstlicher Intelligenz (KI) gibt, ist der Evangelischen Landeskirche in Württemberg schon länger klar. Wie genau sich Kirche und KI aber ergänzen können, will sie herausfinden und hat deshalb zu einem Thementag "KI, Ethik, Kirche. Was kann KI für uns tun?" auf den Bildungscampus nach Heilbronn eingeladen.
Der Ort war nicht zufällig gewählt, gilt Heilbronn doch als das europäische Spitzenforschungszentrum zu Künstlicher Intelligenz, wie Heiner Lasi, Leiter des Ferdinand-Steinbeis-Instituts, sagte. Eine Art schwäbisches Silicon Valley also. Lasi sparte nicht mit Blumen für die Kirche. Sie sei ein "wichtiger Partner" bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz.
Zugleich drängte Lasi die Kirche zum Handeln. Denn KI könne stets nur das ausgeben, was sie zuvor gelernt habe. Die Wissensräume von Künstlicher Intelligenz - die sogenannten Corpora - müssten trainiert werden: "Wo ist die Kirche in diesem Training präsent? Gestalten Sie diese Entwicklung mit, denn wir brauchen Menschen mit Hoffnung so sehr wie selten zuvor." Jeder erwarte, dass KI wertebasierte Entscheidungen treffe. "Wie aber soll sie das tun, wenn ihr es niemand beibringt?", fragte Lasi.
Mehr als Kostenreduzierung?
Bislang würden bekannte KI-Programme wie Chat GPT theologisch vor allem von freikirchlich-evangelikalen Kreisen aus den USA gespeist. Deren Theologie unterscheide sich mitunter aber erheblich von der deutscher Landeskirchen. Miriam Hechler, Beauftragte der württembergischen Landeskirche für innovatives Handeln und neue Aufbrüche, ermunterte Pfarrer daher dazu, ihre Predigten ins Netz zu stellen. Das erhöhe die Chance, dass Programme wie Chat GPT, die sich aus dem gesamten Internet speisen, auch diese Informationen aufnähmen.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sagte, er könne sich den Einsatz von KI an einigen Stellen vorstellen, auch wenn Kirche sich immer fragen sollte, ob KI tatsächlich neue Formen von Gemeinschaft - für ihn der Wesenskern kirchlichen Lebens - eröffnet, "oder nur der Kostenreduzierung dient".
Keine Alternative in der Seelsorge
Eine gewichtige Ausnahme zu seinem Votum für KI innerhalb der Kirche gebe es allerdings: die Seelsorge, also das vertrauliche Gespräch zwischen einem Ratsuchenden und dem Pfarrer. Er könne sich den Einsatz Künstlicher Intelligenz als Ersatz für das Seelsorgegespräch von Mensch zu Mensch "weder gegenwärtig noch zukünftig vorstellen", so Gohl.
Lukas Brand kann das verstehen. Der katholische Theologe promoviert an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema Anthropologie und Theologie der Künstlichen Intelligenz. "Seelsorge ist etwas so Individuelles, dass Künstliche Intelligenz damit überfordert ist", sagt er. KI sei im Kern etwas Mathematisches, das aufgrund angelernter Dinge nach Wahrscheinlichkeiten entscheide.
Seelsorgerliche Gespräche könne man damit - zumindest noch - nicht ersetzen.
"KI glaubt nichts", sagt er. Dennoch könne sie für die Kirche zielführend sein. "Auch wenn KI keine eigenen religiösen Überzeugungen hat, kann sie Menschen auf Gott hin ausrichten", meint Brand. Das zeigten beispielhaft das Interesse an dem von einem Italiener entwickelten Sprachassistenten Celeste oder dem Segensroboter "Bless U2", den die hessen-nassauische Kirche 2017 zum Reformationsjubiläum an den Start schickte und der weltweit für Aufsehen sorgte.
Dieses Interesse spreche für eine große Sehnsucht nach Sinn und Segen. Brand plädiert deshalb unter anderem dafür, dass der Umgang mit Künstlicher Intelligenz einen Platz im Theologiestudium bekommt. "KI wird auch in der Kirche immer wichtiger werden", ist er überzeugt.