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12. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick - Kleine Wunder"
Kommt eine Frau um die fünfzig zur Ärztin ihres Vertrauens, weil sie über Beschwerden mit den Wechseljahren klagt; und dann erhält sie eine Diagnose, die ihre Lebensplanung komplett über den Haufen wirft. "Kleine Wunder" heißt daher die neunzehnte Episode, die den Auftakt zu einer neuen Tetralogie der 2017 gestarteten ARD-Freitagsfilmreihe "Praxis mit Meerblick" bildet.

Die Diagnose ist eine frohe Botschaft; einerseits. Andererseits ist sie für eine Frau im Alter von Nora Kaminski mit enormen Risiken verbunden; von all’ den anderen Fragen, die sie aufwirft, ganz zu schweigen.

Ein kleiner Einfall mit erheblichen Folgen genügt also, um die Geschichten mit Tanja Wedhorn in eine ganz neue Richtung zu lenken. Es ist ohnehin erstaunlich, wie es den Autor:innen gelingt, den Erzählungen über die Rügener Ärztin regelmäßig neue Seiten abzugewinnen. Auf diese Weise ist im Lauf der Jahre eine Ensemble-Großfamilie entstanden, deren Mitglieder sich anders als etwa in vielen Serien beständig weiterentwickeln. Hinzu kommen die jeweiligen medizinischen Herausforderungen.

 

In ihrem fünften Drehbuch für die Reihe konfrontiert Anja Flade-Kruse die Heldin mit einem Rätsel, das zunächst Schlimmes befürchten lässt: Eine junge Frau nimmt gemeinsam mit ihrem Freund ein "Brennnessel-Bad", um die Durchblutung zu fördern. Womit die beiden nicht gerechnet haben, ist der Wespenschwarm, der sie wütend attackiert. Auf dem Heimweg stürzt Rosa (Meira Durand) vom Rad. "Medical"-Fans wissen, was los ist: Es handelt sich um einen anaphylaktischen Schock. Die Taubheit in den Beinen lässt sich damit allerdings nicht erklären, auch die Blutwerte sind derart alarmierend schlecht, dass sich Nora fragt, ob Rosa wohl an Multipler Sklerose leidet. Diese Diagnose bleibt der Patientin zwar erspart, aber die Alternativen sind nicht besser; das Spektrum möglicher Antworten reicht von Hirnblutung bis Tumor. 

Medizinische Fragen wie diese sind im Grunde Drama genug, aber da die Drehbücher sie gern mit Beziehungsproblemen kombinieren, spielt nicht nur Rosas Freund, sondern auch ihre Mutter eine entscheidende Rolle. Die beiden repräsentieren völlig unterschiedliche Lebensentwürfe: Valentin (Philip Dechamps), ein Aussteiger, will mit Rosa für unbestimmte Zeit nach Indien. Andrea (Winnie Böwe), die gemeinsam mit ihr einen Frisiersalon betreibt, hat erhebliche Zweifel, ob Valentins radikal reduzierter Lebensstil mit Rohkost und Nahrungsergänzungsmitteln wirklich gut für Rosa ist; doch in erster Linie treibt sie natürlich die Furcht um, ihre Tochter zu verlieren. 

Jan R?ži?kas Freitagsfilme sind stets sehenswert, aber für "Praxis mit Meerblick" gilt das erst recht; mit "Kleine Wunder" hat er hier bereits zum zwölften Mal Regie geführt. Besonders viel Freude machen darstellerische Details, die sicher nicht alle im Drehbuch standen. Die Mitwirkenden sind ohnehin ausnahmslos sehenswert, zumal niemand den Eindruck vermittelt, nur einen Job zu erledigen. Selbst die Nebenrollen bieten allerdings auch viel Spielmaterial. Ein weiteres Merkmal ist die fast schon bedingungslos positive Grundhaltung. Sogar Noras Freundfeind, der arrogante ärztliche Klinikdirektor Heckmann (Patrick Heyn), ist trotz seiner mitunter fragwürdig grenzwertigen Witzeleien nicht unsympathisch, weshalb die Geschichten mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit die wichtigste Erfolgsvoraussetzung aller langlaufenden Reihen erfüllen: Sie bieten regelmäßig ein Wiedersehen mit Freund:innen. 

Hervorzuheben ist auch die nie aufgesetzt wirkende Hilfsbereitschaft. Im Vergleich zu den großen Fragen, mit denen sich Nora Kaminski befassen muss, mögen die Nebenebenen wie Bagatellen erscheinen, weil beispielsweise der etwas kauzige Praxispartner Stresow (Benjamin Grüter) ein Refugium für sein bislang in einem Lagerraum abgestelltes Klavier braucht, aber auch kleine Probleme lassen sich oft nur mit fremder Hilfe lösen; für die großen gilt das ohnehin.

Zu den anrührenden Momenten des Films zählen die Szenen mit Nora und ihrer Enkelin: Praxismitarbeiterin und Quasi-Schwiegertochter Mandy (Morgane Ferru) ist beim Glühbirnenwechsel von der Leiter gestürzt und hat sich einen komplizierten Handbruch zugezogen, deshalb kümmert sich Nora um ihre kleine Tochter. Die junge Darstellerin ist bloß ein "Filmkind", aber sowohl Wedhorn wie auch Morgane Ferru haben einen derart guten Draht zu dem Mädchen gefunden, dass sicherlich auch dank der Regie die perfekte Illusion eines echten Verwandtschaftsverhältnisses entsteht.