Ihr erster öffentlicher Auftritt seit über 15 Jahren ist eine Sensation: Die Rastalocken sind inzwischen grau geworden, die akustische Gitarre und die Stimme Tracy Chapmans entfalten jedoch sofort wieder ihre Magie. Gemeinsam mit dem Country-Star Luke Combs singt Chapman am 4. Februar dieses Jahres bei der Grammy-Verleihung "Fast Car" - einen ihrer größten Hits aus dem Jahr 1988. Am 30. März wird die US-Musikerin 60 Jahre alt.
Mit seiner erfolgreichen Coverversion hatte Combs "Fast Car" auch einer jüngeren Generation von Musikfans bekannt gemacht: die Geschichte einer Frau, die von einem besseren Leben träumt, jenseits von Armut und dem alkoholsüchtigen Vater. Und Chapman erhielt 35 Jahre nach Erscheinen ihres Hits 2023 den "Country Music Award" für den besten Song - als erste schwarze Musikerin.
Der gemeinsame Grammy-Auftritt löste nicht nur in sozialen Netzwerken Stürme der Begeisterung aus. Millionen Menschen fühlten sich an das legendäre Konzert zum 70. Geburtstag des damals noch inhaftierten Nelson Mandela erinnert: Im Jahr 1988 trat die 24-jährige Tracy Chapman mit ihrer akustischen Gitarre auf der Riesenbühne des Londoner Wembley-Stadions auf.
Stevie Wonder musste abbrechen, so kam Chapman auf die Bühne
Als Stevie Wonder seinen Auftritt wegen technischer Probleme abbrechen musste, schickten die Veranstalter Chapman erneut auf die Bühne. "Ich performte also ein zweites Mal, so blieben meine Songs wie 'Talkin' Bout a Revolution' oder 'Fast Car' wohl im Gedächtnis der Fans", erinnerte sich die Künstlerin in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" im Jahr 2017.
Chapmans bahnbrechenden Erfolg erklärt der Bochumer Pop-Experte Gregor Schwellenbach von der Folkwang-Universität auch mit der Spannung aus Gegensätzen: Ende der 80er Jahre sei Musik sehr aufwendig produziert worden, die Musiker hätten sich mit riesigen Bands präsentiert. "In dieser Zeit trat mit Chapman jemand in einem großen Stadion vor einem Riesenpublikum auf, die sagt: 'Ich habe einen guten Song und eine Gitarre - und das reicht'", sagte Schwellenbach.
"Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt - außer auf der Bühne."
Für Chapman war nach dem Wembley-Konzert nichts mehr wie zuvor: "Klar war ich happy, dass meine Musik bei den Menschen so gut ankam", sagte sie im Rückblick. Sie habe aber auch Angst gehabt, weil "alles so rasend schnell passiert" sei. "Und aus Ruhm mache ich mir nichts", erklärte sie: "Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt - außer, wenn ich auf der Bühne meine Lieder singe." Die Musikerin habe mit nur einem Album, ihrem Debütalbum "Tracy Chapman", einen wesentlichen Beitrag zur Musik des 20. Jahrhunderts geleistet, sagte Schwellenbach: "Chapman hat eine sehr starke Stimme, schreibt gute Texte und hat Gitarrenriffs, die man als Teenager sofort lernen will." In ihren Texten erzeuge sie mit wenigen Worten große Bilder. Sie gehöre ganz klar "in die Reihe der wichtigsten Musiker der letzten 50 Jahre".
Chapman singt nicht nur sozialkritische Songs, sie verleiht ihnen mit ihrem Engagement auch Glaubwürdigkeit. So unterstützte sie schon Amnesty International, Aids-Projekte oder die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Jede einzelne schwarze Person in den USA werde bis heute mit Rassismus konfrontiert, sagte die Sängerin einmal. Sie selbst habe in ihrer Kindheit viel rassistische Gewalt erlebt: "Nur mit Musik konnte ich mich etwas ablenken."
Geboren wurde Tracy Chapman 1964 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. Ihre Eltern trennten sich, als sie vier Jahre alt war, sie wuchs bei ihrer Mutter in einem schwarzen Arbeiterviertel in armen Verhältnissen auf. An der Schule habe es viele Rassenkonflikte gegeben. "Ich war mitten in Rassen-Aufständen, als ich 14 Jahre alt war", berichtete sie 1996 in einem TV-Interview. Über ein Sozial-Stipendium konnte Chapman auf eine Privatschule wechseln. An der privaten Tufts University studierte sie Anthropologie. "Man kann sagen, dass mich das Stipendium und die Uni vor dem Getto retteten", sagte sie.
Chapman spielte und sang unter anderem mit Eric Clapton und B.B. King und wurde mit vier Grammys ausgezeichnet. Im Jahr 2018 untersagte sie der Rapperin Nicki Minaj gerichtlich, ihren Song "Baby Can I Hold You" zu verwenden. Ein Schritt, mit dem sie auf viel Geld verzichtet habe, erklärte Schwellenbach. "Sie lässt sich nicht blenden, sondern macht nur das, wohinter sie hinsichtlich künstlerischer Qualität stehen kann." Sie leiste sich den Luxus, nur ausgesuchte Projekte zu machen, "von denen ich wirklich überzeugt bin", sagte Chapman, die heute in San Francisco lebt und ihr Privatleben strikt abschirmt. Sie verbringe gern Zeit am Strand und sei in der Natur unterwegs, erklärte sie in dem "Spiegel"-Interview. Aber klar sei auch: "Für die Rente bin ich definitiv noch zu jung."